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Eine Moskauer Zeitbetrachtung

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Die Ferch“ ist ein Blatt frei von politischen Bindungen, ▼erpflichtet nur ihren im katholischen Christentum verankerte Grundsätzen, zugleich gewillt, der Aussprache, dem Verstehen und der Zusammenarbeit mit allen gutwilligen, auf-bauhererten Kräften zu nützen. Dieses Programm hat das Blatt bei seinem ersten Erscheinen ausgesprochen und diesem Programm ist e treu geblieben. Dort, wo es sich an Auseinandersetzung mit anderen Meinungen handelte, suchte es mit der Achtung ror der religiösen und politisdicn Oberzeugung der Andersgesinnten Sachlichkeit der Erörterung zu vereinen. Unser Wunsch ist es, eine Form der Publizistik bfldem zu helfen, die frei von Vorurteil und parteiischer Engherzigkeit im Geiste fltnes wahren Humanismus und christlicher Toleranz die Bürgschaften der gemeinschaftlichen Wohlfahrt, Friede, Freiheit, Arbeit und Recht zu fördern vermag. Wir haben die Genugtuung, daß die eingehaltene Linie weit über einen abgegrenzten Gesrn-nungskreis hinaus Verständnis und sogar lebhafte Billigung gefunden hat.

Es ist deshalb auffallend, was die Moskauer „N e u e Zeit“ in den letzten Nummern unter anderem über die „Furche“ zu sagen hat. Freilich geschieht dies in einem Rahmen, der für Überraschungen nichts mehr übrig läßt. Der Verfasser — A. Galin — geht in seinem Artikel von der völlig neuen Hypothese aus, daß

„der Vatikan nd die katholische Kirche in den ersten Jahren des zweiten Weltkrieges vom Sieg Hitlerdeutschlands und des faschi-stiischen Italiens überzeugt waren und im Zusammenhang damit weitgehende Pläne hegten, vor allem die Hoffnung auf die Zerschmetterung der Sowjetunion und die Zertrümmerung der demokratischen und besonders der kommunistischen Bewegung m allen Ländern.“

Da „die Pläne völligen Zusammenbruch erlitten“, hätten der Vatikan und seine Filialen eine eilige Umgestaltung ihrer Taktik begonnen, um die Zusammenarbeit mit Hitler und Mussolini — in einem Atem wird Franco genannt — vergessen zu machen und trachteten

„einen reaktionären, religiös-politischen, antidemokratischen Block z bilden, der das Vakuum ausfüllen soll, welches sich nach der Zertrümmerung Hider-deutschlands und des faschistischen Italien gebildet hat; die Positionen des Vatikans in den einzelnen Ländern und besonders in den Vereinigten Staaten zu befestigen, indem eine Reihe von Erzbischöfen, die ihre Anhängerschaft gegenüber der antidemokratischen und besonders der sowjetfeindlichen Politik unter Beweis gestellt haben, in den Rang von Kardinälen erhoben wird.“ Nachdem man aus dem Weiteren eine wahrhaft verblüffende Sinnverkehrung der päpstlichen Kundgebungen der Kriegszeit und überdies erfahren hat, daß „in vielen Ländern die Würdenträger der Kirche in enger Verbindung mit der faschistischen Untergrundbewegung stehen“, bietet freilich auch die Beleuchtung nichts mehr Außergewöhnliches, die Österreich in dem Artikel findet. In Österreich „stütze sich der Vatikan

auf die Volkspartei, eine katholische Partei; die Presse der Volkspartei, vor allem die „Furche“ (t)

„macht Propaganda für den Vatikan, tritt für die Bildung einer Föderation der katholischen Staaten ein, orientiert Österreich auf den ,Westen' und gegen die Sowjetunion. Die .Furche' veröffentlichte Anfang Dezember vorigen Jahres einen Artikel unter dem Titel .Gegen Menschen oder gegen Ideen?*. Ausgehend davon, d aß das .Naziregime tot ist' und die Nazi schon .nicht mehr gefährlich' sind, ruft das Bbtt dazu auf, die Entnazifizierung einzustellen Die katholische Preise tritt gegen die Verstaatlichung und gegen alle demokratischen Reformen auf.“ Die „Furche“ macht nicht darauf Anspruch, für ihre Haltung und grundsätzliche Einstellung die Zustimmung des Moskauer Organes zu finden, aber da sie 'nicht glaubt, daß für die publizistische Auseinandersetzung in Moskau andere Regeln gelten, als etwa bei uns oder in einem anderen demokratischen Lande, so können wir nur annehmen, daß der Artikel des Moskauer Organs aus völliger Unkenntnis der Tatsachen zu diesen beinahe Satz für Satz unrichtigen Behauptungen gelangt ist. Der öffentlichen Kontrolle halber haben wir hier davon Kenntnis gegeben, zumal diese Ausfälligkeiten des Blattes auch von der Moskauer Telegraphenagentur „Tass“ weiterverbreitet werden.

Der Verfasser der Moskauer „Neuen Zeit“ sagt schließlich:

„Der Vatikan hat offen den Kurs auf den Kampf gegen die Demokratie genommen. Wir halten diese Tatsache fest. Doch wenn den papistischen Politikmachern die gehörige Abfuhr erteilt wird, so mögen sie nicht schreien, daß die katholische Religion oder die religiösen Gefühl der Gläubigin angegriffen werden. Wir gesteben den katholischen Kirchenfürsten keine Immunität zu. Wer m den politischen Kampf eintritt, darf sich nicht beklagen, wenn ihm eine Abfuhr erteilt wird, sei er auch dreimal Kardinal.“

Das ist unmißverständlich und vielleicht schon eine Ankündigung.

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