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Frankreichs Splendid isolation

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Unmittelbar vor seinem Gespräch mit Gromyko hat Präsident Johnson anderthalb Stunden den französischen Außenminister Couve de Murville — ohne Anwesenheit eines Dolmetschers — empfangen und mit ihm internationale Probleme erörtert. Die französischen Beobachter in Washington stellten fest, daß die praktisch auf allen Gebieten herrschenden Meinungsverschiedenheiten nicht aus der Welt geschafft werden können: Ob es sich um den Vietnamkonflikt handelte — die amerikanisch-französische Differenz umfaßt den Ursprung dieses Waffengangs, seine Natur und die Verantwortung der Teilnehmer; sie dehnt sich darüber hinaus auf dlie Frage der Weltfriedensgefährdung und etwaige Lösungsmöglichkeiten des Konflikts aus — oder um die Nord- atlantische Allianz, ganz zu schweigen voň der Position des Dollars — überall war es unmöglich, eine Annäherung der Standpunkte zu erzielen.

General de Gaulle erklärte im Ministerrat, es brauche einer Freundschaft nicht im Wege zu stehen, wenn man nicht in allen Fragen übereinstimme. Diese Äußerung hat wieder einen der heftigsten Kritiker der gaullistischen Außenpolitik, Andrė Franęois-Poncet, bewogen, diem Staatschef eine Lektion über das Wesen einer Freundschaft unter Nationen zu erteilen. Eine Freundschaft ohne gegenseitige Konzessionen sei nicht vorstellbar, meinte der alte Diplomat. In der jüngeren Vergangenheit habe sich die offizielle französische Außenpolitik ständig unfreundlich gegenüber den Vereinigten Staaten verhalten. Sie habe die bestehende Gegnerschaft In allen Punkten bei jeder Gelegenheit unterstrichen und stets dementsprechend gehandelt. In seiner Rede in Pnom-Penh habe sich de Gaulle nicht einmal gescheut, die USA öffentlich als „Angreifer“ zu bezeichnen. Jetzt weigere sich Frankreich, einen Unkostenbeitrag für die kostspielige Verlegung der NATO-Basen zu leisten, die durch Frankreichs Haltung notwendig geworden sei. Auch der deutsch-französische Pakt friste eine theoretische Existenz. Der Beifall der Abessinier, der Bevölkerung Kambodschas und Polynesiens könnte nicht die schwere Vertrauenskrise, die zwischen Frankreich und anderen großen Völkern herrsche, kompensieren. Wenn heute in Frankreich mit dem Slogan der wiedererlangten Unabhängigkeit operiert werde, so hält Franęois- Poncet dem entgegen, daß dieses Gut einen geringen praktischen Nutzen habe, wenn man sich gleichzeitig in die Isolierung begebe.

Auf dem Nebengeleise

Wirft man einen Blick auf die gegenwärtige französische Außen politik, so ist die Bilanz in der Tat äußerst negativ. Abgesehen von den beiden Weltreisen des Generals — in die Sowjetunion“ und naeh Süd- ostasien —, die in erster Linie die propagandistische Bedeutung hatten, die allgemeinen Wahlen des März 1967 vorzubereiten, zeichnet sich die Aktivität des Quai d’Orsay durch Obstruktion aus, und jedermann weiß, daß dies haargenau den Weisungen des Elysée-Palastes entspricht.

Da im übrigen die Wahlvorbereitung mehr und mehr in den Vordergrund des öffentlichen Interesses tritt, hat man die Außenpolitik auf ein Nebengeleise geschoben, zumal sie für die politische Orientierung des Bürgers niemals eine entscheidende Rolle gespielt hat.

Die Kritiker

Zu den Objekten der Kritik an der außenpolitischen Praxis des Staatspräsidenten gehört der Einsatz des Generals für den atomaren Nationalismus und seine europafeindliche Einstellung. Der Publizist und Herausgeber der Wochenschrift „L’Express“, Jean-Jacques Sevan- Schreiber, schrieb kürzlich zuin ersten Problem, daß angesichts der Tatsache, daß in 15 Jahren die Zersplitterung der nuklearen Waffe nicht mehr zu kontrollieren sein werde, die atomaren Ambitionen des Generals als die Übernahme einer schweren Verantwortung gegenüber der Menschheit bezeichnet werden müßten.

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