6655144-1959_25_04.jpg
Digital In Arbeit

LAURIS NORSTAD / EIN AMERIKANER IN FONTAINEBLEAU

Werbung
Werbung
Werbung

ln allen grundlegenden Punkten sei völlige Einigung erzielt worden. Mit diesen Worten faßte Paul H. Spaak, NATO-Generalsekre- tär, das Ergebnis der im April anläßlich des zehnten Geburtstages der NATO arrangierten Washingtoner Jubiläumstagung zusammen. Solches festzustellen ist nun einmal die Aufgabe der Communiques. So gibt es also — Triumph menschlichen Ausdrucksvermögens

— eine glasklare Art, das total Ungeklärte in Warte zu fassen. Deutlicher war allerdings die Schlußresolution des jetzt zu Ende gegangenen Atlantischen Kongresses, in der eindringlich eine engere militärische Zusammenarbeit der NATO-Länder gefordert wurde. Die „Schildstreitkräfte“ sollten endlich auf die vereinbarte Mindeststärke gebracht werden.

Zur gleichen Stunde schwelt innerhalb des Bündnisses eine Krise, verursacht durch Frankreichs Forderung nach Verfügungsgewalt über die auf seinem Territorium gelagerten atomaren Waffen. Reibungsreiche Kompetenzkonflikte politischer und militärischer Natur gehen mitten durch die NATO. Den Mißhelligkeiten, den Eifersüchteleien, seit antiken Tagen die Magenwände aller Koalitionschefs strapazierend, die Spitze abzubrechen, ist die nicht leichte Aufgabe eines langaufgeschossenen, sehnigen Amerikaners in der blauen Uniform der US-Luftwaffe: NATO-Chef Lauris Norstad. Als männlicher Cassandra und authentischem Kommisgenie obliegt ihm seit zweieinhalb Jahren eine doppelte Aufgabe: die gelegentlich Schwierigkeiten Machenden beim Portepee zti fassen,

ihnen unentwegt das Motto der NATO „Wachsamkeit ist der Preis der Freiheit“ vor Augen zu halten und gleichzeitig die Rüstung der vierzehn Mitgliedstaaten stetig voranzutreiben. Nur sie sei nämlich, im stande, den drohenden Weltkonflikt zu bannen.

Norstad sieht anders aus, als auf den zahlreichen Photos, die ihn zum „Pin-up- boy“ in Uniform stempeln. Der erste Eindruck ist vielmehr der von großem Ernst. Das Gesicht ist älter, die Linien wie geschnitten, gespannt. Die elastische Gestalt verrät den Sportler. Ein neuer Generalstyp, der mit der würdevollen Steifheit verflossener Militärs nichts gemein hat, der die Fähigkeit zeigt, einem Problem mehr als eine Seite abgewinnen zu können. Der Nachfahre norwegischer und schwedischer Einwanderer kam am 24. März 1907 in Minneapolis (Minnesota) als Pastorensohn zur Welt. Die Pflanzstätte des US-Offiziers, die altberühmte Militärakademie von West-Point, verließ er als Kavallerieleutnant, vertauschte aber rasch den Sattel mit dem Pilotensitz. 1936 begann der Weg in den Stab. 1944 ist er Operationschef der alliierten Luftstreitkräfte im Mittelmeer, 1951 wird er Befehlshaber der US- Luftstreitkräfte in Europa. Im November 1956 übernahm er im Schatten des ungarischen Aufstandes den Oberbefehl über das atlantische Bündnis. Zum erstenmal trat damit nach Eisenhower, Ridgway und Gruenther ein Fliegergeneral auf diesen konfliktreichen Posten. i

Was er sagt, entstammt der Schusterperspektive gesunder Reduktion. Bei einem Interview legte er in knappen, Fußvolk und Spitzenreitern gleichermaßen einleuchtenden Worten dar, worum es geht: „Den Frieden zu bewahren, ist das Ziel der NATO. Die Kraft Europas ist gewachsen. Auch Dank dem Vertrauen, das man in die NATO hat. Europa glaubt an etwas. Es besitzt wieder Hoffnung. Und was mehr ist, eine Basis für die Hoffnung. Die NATO hat diese Basis geschaffen. Die Länder stehen nicht mehr allein, auch wenn sie noch immer direkt bedroht sind.“

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung