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Das Problem der Ruheständler
Läßt sich diesem Argument immerhin noch entgegenhalten, daß die Außenseiter stets das rechtliche Schicksal der Organisierten teilen, weshalb eine Benachteiligung der Außenseiter ausgeschlossen sei, verfängt diese Rechtfertigung bei einem anderen Personenkreis nicht mehr, den die Rechtsprechung für kollek- tivvertragsunterworfen erklärt hat. Es handelt sich hierbei um die Empfänger betrieblicher Pensionen. Diese Ruheständler sind weder Mitglieder der Arbeiterkammern noch der Ge- werksdbaiten und können es — im
Gegensatz zu den Außenseitern! — in ihrer Funktion als Ruheständler auch nicht werden.
Dennoch betrachten die Gerichte kollektivvertragliche Normen, die solche Ruhestandsverhältnisse — selbst zu Lasten der Betriebspensionisten — verändern, für voll wirksam. Eine verfassungsrechtliche Verankerung der Kollektivverträge müßte daher auch dieses Problem beachten.
Die Verankerung der Kollektivver- träge in der Verfassung wirft ihrerseits neue Probleme auf. Ermächtigtdie Verfassung nämlich in gleicher Weise den Gesetzgeber wie die Kollektivvertragsparteien zur generellen Reohtsetzung, dann könnte in Frage stehen, ob der Kollektivvertrag überhaupt noch die Grenzen des einfachgesetzlichen Rechtes zu respektieren hat, da beide dann im Stufenbau der Rechtsordnung gleichen Rang hätten. Solche Vorstellungen wurden am 46. Deutschen Juristentag in Essen laut. So sehr die 'internationale Entwicklung wie auch die Rechtsüberzeugung in Österreich eine unmittelbare staatliche Festlegung der Lohn- und Arbeitsbedingungen grundsätzlich ablehnt und dem Staat im wesentlichen nur die Funktion eines Garanten des sozialen Minimums zuweist, wodurch die Autonomie der Sozialpartner zur Gestaltung der Arbeitsbedingungen anerkannt ist, so problematisch wäre es, dem Gesetzgeber jede Eingriffsmöglichkeit in diesen Bereich zu nehmen.
Die moderne Wirtschaft läßt es nicht mehr zu, wirtschaftliche Vorgänge isoliert zu sehen. Zwischen der Regelung der Lohn- und Arbeitsbedingungen und der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung bestehen unlösbare Zusammenhänge. So wissen wir beispielsweise, daß eine Inflation unter anderem auch durch starke Lohnsteigerungen im Wege des Kostendruckes oder durch Bildung eines Nachfrageüberhanges verursacht werden kann. Aber auch zwischen Arbeitslosenrate und Lohnhöhe bestehen Zusammenhänge. Wenn die Sozialpartner auch für ihren Bereich die volle Verantwortung übernehmen, so kann der Staat seine Verantwortung für das Gemeinwohl — etwa hinsichtlich sol cher Reflexwirkungen — nicht auf Träger partiellen Gemeinwohls delegieren. In Fällen echter Gemeinwohlbeeinträchtigung muß daher auch in Zukunft die staatliche Einwirkungsmöglichkeit gewährleistet werden.
Dieses doppelte Ziel zu erreichen: Gewährleistung der grundsätzlichen Autonomie der Sozialpartner ohne Ausschaltung der Gemeinwohlver- anitwortuing des Staates, läßt sich wohl am besten durch eine relativ moderne Form der verfassungsmäßigen Sicherung, durch eine institutioneile Garantie des Kollektivvertrages erzielen. Damit versagt die Verfassung dem einfachen Gesetzgeber die direkte oder indirekte Beseitigung des Kollektivvertrages in seiner herkömmlichen Form, gestattet ihm aber, ihn im Detail auszugestalten und aiudh zu korrigieren.
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