Hoffnung auf Atom-Frieden

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Furche Nr. 17/27. April 1957

Am 12. April 1957 protestierten 18 deutsche Atom-Wissenschafter gegen die Atom-Rüstung in der Bundesrepublik - ein erster Höhepunkt einer "Friedensbewegung" nach dem Zweiten Weltkrieg.

In diesen Tagen, um Ostern 1957, begegnen sich große Furcht und große Hoffnung. Atombombenversuche im Osten; Warnungen Moskaus an die europäischen nato-Staaten, ihre Länder nicht als Basen für amerikanische nukleare Fernwaffen zur Verfügung zu stellen. Gleichzeitig unterbreiten die Vereinigten Staaten einen neuen Abrüstungsvorschlag, und die Sowjetunion ist bereit, darüber zu verhandeln. [...]

Die Entwicklung der Weltlage hat in den letzten Wochen drastisch gezeigt, daß die Stunde gekommen ist zu handeln, und das heißt zu verhandeln. Eines der sichtbarsten Momente dieser Entwicklung liegt eben darin: Europa ist aus seinem Schlummer erwacht. Nach dem schrecklichen Gewitter über Ungarn schien es, als würden weiteste Kreise in Lethargie verfallen und sich gleiten lassen. Fatalismus ist aber eine Krankheit zum Tode. Ein Schlittern in den Abgrund.

Es ist mit das Verdienst der "Göttinger Achtzehn" [...], daß sie durch ihren Aufruf vom 12. April 1957 in der Mitte Europas eine Bewegung entzündet haben, die nicht mehr zur Ruhe kommen wird, bis sie ihr Ziel erreicht hat: die Einstellung der Atombomben-Uebungen und ein weltumspannendes Abkommen über den Verzicht auf die Anwendung dieser Waffen. - Die westdeutsche Bevölkerung hatte die Gefahr, in der Deutschland und mit ihm Europa schwebt, wohl gespürt, war aber weit davon entfernt, eigenständig zu reagieren. [...] Da war es, als erstes, die Unschicklichkeit eines inzwischen versetzten englischen Luftmarschalls, der nüchtern und knapp vermerkte, daß in Deutschland nato-Truppen bereits mit Atomwaffen ausgerüstet seien. Da begann das Aufhorchen. Und nun kam, endlich, endlich, die Lawine des Guten ins Rollen. Was einsamen Mahnern nicht gelang, traf, in die Mitte: die Erklärung der achtzehn deutschen Forscher, unter ihnen vier Nobelpreisträger. [...] Die deutschen Wissenschaftler wiesen ruhig und ernst auf die ... Gefahren hin, die der deutschen Bevölkerung und der Menschheit vom Atomkrieg her drohen, und erklärten feierlich, nicht an einer deutschen Atomrüstung mitarbeiten zu wollen.

Diese Proklamation der deutschen Wissenschaft hat einen heilsamen Schock ausgelöst. Die ersten Erklärungen einiger Regierungsmitglieder zeigten der Oeffentlichkeit zudem etwas, was in dieser Nacktheit noch selten offen geworden war: Das politische Denken von Berufspolitikern ist zuweilen [...] der komplexen Wirklichkeit nicht gewachsen. Da wurde nun sehr sichtbar: hatte einst Clemenceau erklärt, daß der Krieg eine zu ernste und schwierige Sache sei, um den Generalen überlassen zu wenden, so zeigte sich hier: die heutige Weltlage, die politische Situation, die Welt- und Volkspolitik ist zu komplex, um den Politikern allein überlassen zu bleiben.

Nächste Woche: Friedrich Heer 1958 zur Papstwahl Johannes XXIII.

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