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Die SPD im Vorhof der Macht?

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Auf dem Parteitag in Karlsruhe strahlte die SPD Siegeszuversicht aus. Der Parteivorsitzende und regierende Bürgermeister Willy Brandt brachte sie auf die Formel: „Wir wollen regieren, nicht nur mitregieren.“ Der fast reibungslos verlaufende Parteitag hat damit den Anspruch der SPD angemeldet, im Herbst 1965 nach den Bundestags wahlen die Macht im Staate zu übernehmen.

Niemand in der Bundesrepublik bezweifelt, daß die Chancen der SPD heute größer sind, als sie es je seit 1949 waren. Die Gefahr, daß Ludwig Erhard als Persönlichkeit die nachhaltige Verärgerung über die seit sechs Jahren in innere Kämpfe verstrickte CDU/CSU überwinden könnte, hat sich als geringer erwiesen als die SPD ursprünglich befürchtet hatte. Noch ist Erhard in Deutschland der beliebteste Politiker, aber die Zweifel mehren sich, ob er seine lahm gewordene Partei mit zum Sieg reißen kann. Nur und darin liegt das Problem: Wer von den Siegeschancen der SPD spricht, fängt ziemlich bald vom Versagen der CDU/CSU zu reden an. Das heißt: Nicht die SPD steht vor einem Sieg, sondern die CDU/CSU möglicherweise vor einer Niederlage. Das kann im Ergebnis dasselbe sein, es muß aber nicht. Mit anderen Worten: Der Sieg der SPD hängt vom Verhalten der CDU/CSU ab.

Diese Lage ist nicht ganz erquicklich. Man demonstrierte in Karlsruhe Einigkeit, um die Uneinigkeit im Lager der CDU/CSU stärker zu unterstreichen. Man ließ keine Diskussion um die Nominierung Brandts als Kanzlerkandidat aufkommen, obwohl nicht wenige dem Fraktionsvorsitzenden Fritz Erler mehr Anziehungskraft nachsagten. Und man stellte schließlich ein Gegenkabinett auf.

Es ist natürlich verfrüht, etwas über die Chancen der SPD im Wahlkampf zu sagen. Man kann lediglich das Terrain etwas sondieren. Es gibt wahrscheinlich nur drei Möglichkeiten für die SPD, die Macht zu erringen.

• Die eine bietet ihr das Versagen der CDU als Regierungspartei.

• Die zweite besteht darin, die SPD ganz unabhängig von dem Versagen der CDU so attraktiv zu machen, daß der Wähler sich für sie entscheidet. • Die dritte wäre die große Koalition. Über diesen Weg etwas zu sagen, ist verfrüht. Die Chancen dafür sind sehr gering, sie können auch erst nach der Wahl näher beleuchtet werden. Es bleiben also zunächst dfe beiden anderen Wege.

Die große Koalition

Die erste Möglichkeit bedeutet schonungslose Opposition. Davon war schon in den letzten Jahren wenig zu spüren. Der von Herbert Wehner seit 1960 der Partei aufgezwungene Kurs hat kein anderes Ziel, als den Deutschen zu beweisen, daß Deutschland unter einer SPD- Regierung nicht viel anders und jedenfalls nicht weniger auf wirtschaftliche Prosperität bedacht regiert würde als bisher. Wehner ging dabei von dem durchaus richtigen Gedanken aus, daß es in einer modernen Demokratie weniger auf radikale Richtungsänderungen ankommt, als darauf, eine Alternative für eine abgenutzte Mannschaft zu bieten. Nur ist die SPD in den letzten Jahren in ihrem Bemühen, ihre Regierungsfähigkeit zu beweisen, mitunter weiter gegangen, als sich mit ihrer Rolle als Oppositionspartei, ja sogar mit ihren demokratischen Traditionen vertrug. Ganz offensichtlich wurde von der SPD eine große Koalition angestrebt. Es wurde daher mit einer gewissen Spannung erwartet, ob sich die SPD zur Eröffnung des Wahlkampfes zu einem härteren Kurs entschließen würde.

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