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Die Außenpolitik des 21. Jahrhunderts muß aus den Fehlern des endenden gelernt haben. Wir brauchen eine Grundreform des intenationalen Systems.

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Die Außenpolitik des 21. Jahrhunderts muß aus den Fehlern des endenden gelernt haben. Wir brauchen eine Grundreform des intenationalen Systems.

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Gespenstisch haben die Konflikte und Konfliktmuster des 19. Jahrhunderts die Weltpolitik des nun zu Ende gehenden - selbst in seinem letzten Jahrzehnt - überschattet. Eine Außenpolitik für das 21. Jahrhundert muß daher neue Wege zur Vermeidung von Krisen und Katastrophen finden, an denen das 20. Jahrhundert so reich war.

Gescheitert ist das 20. Jahrhundert vor allem an der Kardinalfrage aller Außenpolitik: der Erhaltung des Friedens, der Verbannung der Gewalt aus den internationalen Beziehungen. Wer den Frieden sichern will für kommende Generationen, darf daher an den Lehren dieses Jahrhunderts nicht vorbeigehen. Sie zeigen, daß Frieden und internationale Sicherheit, jedenfalls auf Dauer, nicht auf Zwang und Gewalt aufgebaut werden können. Verschwindet aus nationalen Gesellschaften Bechtlosigkeit und Gewalt erst, nachdem es zu einem gerechten Ausgleich sozialer Gegensätze gekommen ist, wird auch die internationale Gesellschaft nicht zur Buhe kommen, sind nicht fundamentale Trennlinien, die sie auch heute durch -laufen, überwunden.

Diese Trennungslinien sind heute, nachdem der Siegeszug eines neuen, global agierenden Kapitalismus die Grenzen zwischen Ost und West, Nord und Süd vermischt und verschoben hat, schwerer zu erkennen. Dennoch sind wir von der einen Welt, vom Ende der Geschichte, so fern wie eh und je. Die Gefahren von morgen liegen in der Trennung von heute.

So bleibt der Außenpolitik des 21. Jahrhunderts als wichtigstes Vorhaben die Aufgabe gestellt, die alte wie die neue Teilung der Welt in Zonen der Armut und des Beichtums, des Fortschritts und der Obskuranz zu überwinden. Schlüssel dazu ist ein hoher Grad von Integration der Weltgesellschaft, der nicht an den Grenzen einzelner Kontinente Halt machen darf. Was heute einem Teil der Welt zugänglich ist, darf dem Best, dem neue Technologien der Information und Kommunikation ein neues Bewußtsein seiner Möglichkeiten, seiner Rechte vermitteln, nicht verweigert werden.

Eine Aufgabe dieser Größenordnung verlangt freilich nach neuen Mitteln und Wegen, die klassische Di -plomatie und traditionelle Weltpolitik, aufgebaut auf ausgeklügelten Ausgleich der Interessen bloß zwischen Staaten, nicht vermitteln können.

Sie verlangt nach einer Grundreform des internationalen Systems, seiner Umwidmung auf neue Aufgaben und Ziele.

Neue Formen der internationalen Zusammenarbeit verlangen ohne Zweifel auch neue Akteure, neue Gestalter. Kritische und informierte Bürger, die sich jeder Mediatisierung durch Apparate und Bürokratien verweigern, werden zu ihnen ebenso gehören wie die neuen internationalen Bürgerbewegungen, die gerade in den letzten Jahren durch überzeugende Erfolge neben die klassischen internationalen Organisationen getreten sind.

Die internationale Organisation von morgen wird gemessen werden vor allem an ihrer Bürgernähe, noch mehr an ihrer Bürgerrelevanz. Werden heute internationalen Organisationen - beginnend mit den Vereinten Nationen, bis zu einst unantastbaren Elitestrukturen wie der OECD -

Bessourcen zunehmend verweigert, so liegt es nicht nur am Isolationismus so manchen westlichen Parlaments, allen voran des heutigen amerikanischen Kongresses. Zu weit entfernt vom Alltag der Bürger haben sich viele der großen Organisationen, deren Bäderwerk oft nur mehr einem kleinen Kreis von Eingeweihten zugänglich ist.

Im Sand verlaufen wird also etwa jede noch so anspruchsvoll begonnene Beform der Vereinten Nationen -oder anderer internationaler Organisationen - gelingt es nicht, neben Staaten und Staatskanzleien auch die Völker selbst in das Leben der Organisationen einzubinden. Dazu gehören nicht nur größere Transparenz und größere Rechenschaftspflicht, sondern auch ein gehöriges Maß an Mitbestimmung und Mitentscheidung. Warum allerdings sollten nicht auch Funktionäre der Vereinten Nationen von denen gewählt werden, über deren Schicksal sie zu entscheiden haben?

Daß internationale Demokratie und Mitbestimmung keine Utopie sind, haben im übrigen in den letzten Jahren überzeugend die großen internationalen Bürgerbewegungen bewiesen (heute noch herablassend als NGOs, das ist Nicht-Begierungs-Or-ganisationen bezeichnet), die etwa auf dem Gebiet der Menschenrechte oder des Umweltschutzes eine weit eindrucksvollere Leistungsbilanz aufweisen können, als viele der zu diesem Zweck geschaffenen zwischenstaatlichen Einrichtungen.

Zur Erneuerung des europäischen Systems hat Österreich im 20. Jahrhundert vieles beigetragen: Es war nicht zuletzt die Politik dieses Landes, die immer wieder wichtige Schritte gesetzt hat zur Überwindung der Teilung des Kontinents. Dies muß auch morgen Aufgabe der österreichischen

Außenpolitik bleiben. Öffnung der Europäischen Union in Bichtung auf die neuen Demokratien im Osten (siehe Dossier in Furche 46/1995) sowie die Schaffung eines Systems der Sicherheit, das eine neue Teilung des Kontinents in feindliche Lager verhindern kann.

Mitgliedschaft in der Europäischen Union wird die Wahrung von Österreichs Interessen im Europa künftiger Jahrzehnte sichern. Allein in einer sich rasch wandelnden Welt, deren Vielfalt die heutigen Vereinten Nationen widerspiegeln, muß Österreichs Erscheinungsbild global und nicht nur regional zu sehen sein. Wie Österreich und seine Werte aufgenommen werden, in Afrika und Asien, in Lateinamerika und im Pazifik, entscheidet über unseren künftigen Spielraum, unsere künftige wirtschaftliche und politische Stellung in der Welt.

Die gute Funktion eines weltweiten Systems internationaler Organisationen kann Österreich nutzen, um diesem Ziel nahezukommen. Zu seiner Erneuerung muß daher auch Österreich beitragen. Vom Boden der Europäischen Union aus ebenso wie in Partnerschaft mit neuen Akteuren der Weltpolitik.

Erfüllt werden muß dieses System vom Geist eines neuen Multilateralismus, der das Prinzip der internationalen Zusammenarbeit und lebensbewahrenden Solidarität entgegenstellt dem wieder erwachenden Ungeist des Isolationismus, des Nationalismus, des Populismus.

Als verläßlicher Anwalt einer neuen Welt, in der Menschenrechte und Demokratie, sozialer Aufstieg und kulturelle Freiheit Gemeinbesitz aller Völker werden, wird Österreich auch in der Welt des 21. Jahrhunderts Achtung und Anerkennung genießen.

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