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Aus dem Nachlaß von Th. Steinbüchel

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Der Zerfall des christlichen Ethos im 19. Jahrhundert. Von Theodor Steinbüchel. Verlag Jos. Knecht, Frankfurt am Main. 172 Seiten. Leinen DM 7.80.

Theodor Steinbüchel ist ohne Zweifel der Kassiker unter den Geistesgeschichtlem. Sein souveränes Beherrschen der jeweils einschlägigen Literatur, gepaart mit der äußerst seltenen Fähigkeit, die schwersten und divergentesten Probleme in klare Formulierungen zu bringen, hat ihn wie keinen zweiten befähigt, die Voraussetzungen unserer heutigen geistigreligiösen Situation aufzudecken. Diese ist in erste Linie gekennzeichnet durch den nun bereits erschreckenden Substanzverlust an Christlichkeit. Deesen Wurzeln aber gehen auf die verschiedensten vorhergehenden Jahrhunderte zurück. Am stärksten allerdings hat zu diesem zerstörenden Prozeß das 18. Jahrhundert beigetragen, das in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, noch einmal im Liberalismus der damals führenden Geistesschichte aufgegriffen, 6eine destruktive Kraftrst voll auszuwirken imstande war. Dieses 18. Jahrhundert der Aufklärung hat daher für uns heute immer noch wesentliche Bedeutung, und wer im Ernst die Fragen des Heute verstehen will, muß in der Feinfasrigkeit der Aufklärung bewandert sein. Dies nun bringt das Buch. Es wäre zu wünschen, daß alle heutigen Christen und Seelsorger sich nicht scheuen, dieses an und für sich, trotz seiner Dichte, so klar geschriebene Buch gründlich durchzustudieren.

Mensch und Wirklichkeit in Philosophie und Dichtung des 20. Jahrhunderts. Von Theodor Steinbüchel. 2. Auflage. Verlag Jos. Knecht, Frankfurt a. M. 1950. 75 Seiten.

Steinbüchel weist in seinen drei, hier im Druck vorliegenden Vorträgen auf den innigen Zusammenhang zwischen Dichtung und Philosophie hin, den noch mancher Literaturkritiker in einem ästhetischen Formalismus geflissentlich übersieht. Der „seinserhellende“ Begriff der Philosophie und das „seinserhellende“ Symbol der Dichtung, beide sind sie tief beteiligt an dem, was die Romantik mit Weltanschauung bezeichnete. So sieht Steinbüchel Dichtung und Philosophie des 20. Jahrhunderts in einer neuen Begegnung mit der Wirklichkeit des Seins, das nidit mehr rationalistisch bestimmt ist und auch über dem rein naturwissenschaftlichen Erfahrungsbereich hinausliegt. Man entdeckt wieder den alten Ordogedanken, daß Sein „teleoklin“, das heißt in einer Ordnung eingebettet ist (das Bemühen zum Beispiel eines Ernst Jünger oder Saint-Exupery!). Daraus ergibt sich wieder der alte Bögriff des Schönen: unitas in varietate (in dem eigentlich die Uberwindung alles Totalitären liegt). Damit wird wieder der Blick auf den Menschen in neuer Weise frei, in seiner besonderen Existenz als Persönlichkeit, als welche er die Ergebnisse der positiven Wissenschaften und der Technik souverän in das rechte Verhältnis zu setzen vermag, ohne von ihnen beherrscht zu werden. So ist auch wieder eine echte Metaphysik möglich, die uns einen neuen „Geist des Ganzen' verspricht. An den großen Namen, wie Nietzsche, George, Rilke, Mann, Baudelaire, Gide, Claudel usw., offenbart sich dieses Ringen um Freiheit, Persönlichkeit, Wirklichkeit und Gott.

Annette von Droste-Hülshoff nach hundert Jahren. Von Theodor Steinbüchel. Verlag Josef Knecht, Carolusdruckerei, Frankfurt am Main 1950. 50 Seiten, DM 2.80.

Diese Studie, ursprünglich ein Vortrag, wurde zur Erinnerung an den hundertsten Todestag der Dichterin veröffentlicht. Nicht um eine literarästhetische Würdigung war es Steinbüchel zu tun, sondern er stellt den menschlichen und religiösen Gehalt des Werkes in den Mittelpunkt. Er untersucht vor allem die Bedeutung der Droste für unsere Zeit und findet ein Dreifaches, das sie uns innerlich nahebringt: „die einsame Größe ihres Menschseins, der Ernst und die Tiefe ihres Berufs- und Sendungsbewußtseins, die Seinswahrheit ihrer Dichtung“. Die Darstellung, die von Anschauungen der modernen Existenzphilosophie gestützt wird, baut sich von diesen drei Aspekten her auf. Die Droste hat den Willen zur Wahrheit, zur Wirklichkeit. Sie kennt die Angst und das Abgründige in der menschlichen Existenz. Die vieldeutige Bezeichnung „Realismus“ kann nur in einem bestimmten Sinn auf ihr Werk angewendet werden. Es ist ein Realismus, der alles Dunkle und alle tragischen Spannungen des Seins enthüllt, aber aus katholischem Geist dieses ganze Sein auf den Schöpfer zurückbezieht, ein „gläubiger Realismus“. Bei der Dichterin gesellt sich zu der Lebensangst das Wissen um die ewige göttliche Ordnung und die Hoffnung auf die Gnade. „Das Große und das Kleine, das Sein und der Mensch, die Natur und das Schicksal — alles umspannt von einer alltragenden Liebe.“ Auch in dieser knappen, konzentrierten Form konnte Steinhüchel eine ins Tiefe dringende Charakteristik der Droste geben und zeigen, wie lebendig sie geblieben ist und wie viel sie noch den religiös ringenden Menschen der Gegenwart zu geben vermag.

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