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Konstruktive Geopolitik

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Die rasch fortschreitende Verdrängung Europas aus seinen asiatischen Macht- und Wirtschaftspositionen Ist ein Ereignis, das — mit umgekehrtem Vorzeichen — jenem der Entdeckung „Ost- und Westindiens“ durch Vasco da Gama und Kolumbus gleichzusetzen ist. Seine Auswirkungen, die nicht nur die zunächst leidtragenden Kolonialmächte ergreifen werden, lassen sich heute kaum noch zur Gänze übersehen. Eine nahe Zukunft wird sie leider schmerzlich fühlbar madren. Unter diesen Umständen gewinnt jeder Fleck Erde, der noch im westlichen Einflußbereich liegt und sich als Auswan-derungs-, Produktions- und Handelsziel darbietet, vervielfachte Bedeutung. Zischka geht es in dem mit eingehenden Ziffern und Beweismaterial ausgestatteten Buch „Länder der Zukunft“ um folgendes Anliegen: Er weist nach, daß der dem Westen, vor allem Europa, verbliebene Einflußkreis noch immer mehr als genügend Bodenschätze und Siedlungsraum bietet, um Uberbevölkerung, Rohstoffknappheit und Arbeitslosigkeit vorzubeugen. In diesem Sinne zeigt Zischka die Erdteile der Zukunft, Südamerika, Afrika und Australien, und in deren Rahmen wieder die besonders siedlungsgeeigneten und rohstoffreichen Räume. Manches, was dem Laien in Umrissen bekannt ist, gewinnt dabei durch das reiche Detail Zischkas Farbe und feste Linien. Es ist durchaus kein Utopien, das hier gezeichnet wird. Die für die Auswertung der noch brachliegenden Möglichkeiten unerläßliche Zusammenarbeit der Kolonialmächte ist ja zum Beispiel in Afrika bereits im Begriff, Realität zu werden. Auch auf den bekannten Punkt 4 des „Truman-Programms' sei in diesem Zusammenhang verwiesen. Eins ist freilich ungewiß: Wird dem Westen, der von nahen und allernächsten Sorgen bedrängt ist, genug Zeit, werden ihm die Mittel und die Pionierfreudigkeit bleiben, diese Aufgaben, deren Bewältigung Dezennien erfordert, zu meistern? Diese Befürchtung, der sich der Leser nicht erwehren kann, ändert jedoch nichts an den beiden Tatsachen, daß Europa soziologisch und wirtschaftlich (und letzteres im weitesten Sinne) der Ergänzung durch außereuropäische Siedlungs- und Wirtschaftsräume bedarf und daß ihm diese heute tatsächlich noch zur Verfügung stehen.

Zisdikas Buch, fesselnd und überzeugend geschrieben, will diese Erkenntnis einem möglichst weiten Kreise vermitteln, um ihnen die nötige Dichte und Uberzeugungskraft zu geben.

Es mindert die grundsätzliche Bedeutsamkeit der Idee, der Zischka das zweite Buch, „Asien, Hoffnung einer neuen Welt“, widmet, nicht unbedingt, daß die rasante Entwicklung in diesem Kontinent, den Raum, auf den sie abzielt, zusehends einengt. Der Autor läßt hier — in sehr eingehenden Untersuchungen — das Konzept einer neutralen, zwischen Kommunismus und Westorientierung eingeschobenen, unabhängigen und eigenständigen asiatischen „dritten Kraft“ erstehen. Gewisse Voraussetzungen wären für diesen Gedanken an sich zweifellos nicht ungünstig und Pandit Nehru betrachtet in der Tat Indien als den Kern einer asiatischen autochthonen Völkergruppierung. Kann aber auch hier der Wettlauf mit der Zeit gewonnen werden? Haben sich nicht die schon von Anfang an spürbaren Sprünge im schwachen Gebälk der auf westlicher Basis neugebildeten asiatischen Staaten sehr rasch zu bedenklichen Rissen verstärkt? Werden sie den Stürmen aus dem Norden und Nordosten des Kontinents standhalten können? Es hat den Anschein, daß in den meisten dieser Staaten der Kommunismus den „gemäßigten Wohlfahrtsstaat“ unterhöhlt und unterwandert. Mag nun diese Befürchtung zutreffend sein oder nicht — eine ernste Befassung mit diesen Problemstellungen, wie sie Zischkas Buch enthält, ist ein wertvoller Beitrag zur Diskussion eines für die ganze Welt bedeutungsvollen Fragenkomplexes.

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