7096575-1994_47_16.jpg
Digital In Arbeit

Lorbeer für Architekten

19451960198020002020

Ein Maler müßte man sein, in Wien Hundertwasser oder Brauer, da wäre das ganze Haus eine bunte Handschrift.

19451960198020002020

Ein Maler müßte man sein, in Wien Hundertwasser oder Brauer, da wäre das ganze Haus eine bunte Handschrift.

Werbung
Werbung
Werbung

Der Frust nagt ringsum an ihrem kreativen Selbstbild. Denn jener Handvoll erfolgsgewohnt in die Kameras lächelnden Erz-Gestalter (= Architekten) der heimischen Szene steht ein anonymes Heer von Ideenschöpfern, Planzeichnern, Modellbauern und Baukompromißvergewaltigten gegenüber, die um jeden Auftrag existenzsichernd raufen müssen.

Nicht nur der kleine Häuslbauer ist sich selbst der liebste Architekt, der sich den Balkon aus der Bausparkassenzeitung abpaust. Auch Geschäfts- und Fabriksherren üben sich gerne nach Feierabend in schöpferischem Bauentwurf. Wozu hat man schließlich Zeichnen und Darstellende Geometrie gelernt? Zudem machen unter Bauwilligen stets schauderbare Geschichten die Runde: von dem Haus, dessen Fenster der Architekt vergessen - oder von der Kellertüre, die in den Kamin führte. Am Bau bedürfe es eben in erster Linie des Praktikers, als welcher nach dem Maurer und Polier allenfalls noch der Baumeister akzeptiert wird. Der hat Maß und Norm im kleinen Finger, der hat schließlich auch mehrheitlich die Ortsbilder Nachkriegsösterreichs geprägt, der ist also der wirkliche Architekt, warum sollte er sich nicht so nennen dürfen?

Ehe hier der Rachen beleidigter oder begieriger Kammern aufschnappt, sei der Versuch der Flucht ins Allgemeinere gewagt. Im Vor- und Nachspann jedes Films werden bekanntlich die Mitwirkenden bis zur letzten Schminkmamsell genannt - und der Name des Regisseurs strahlt flächendeckend übers mäßig gespannte Publikum. Auf dem Programm jedes Schulkonzerts steht der Name des Komponisten. Jeder Kleindichter legt Wert auf seinen Autorennamen am Buchumschlag — und jeder Hobbymaler signiert sein Aquarell selbstbewußt wie ein Meister. Und selbst wenn ein Durchschnittsleben zu Ende gegangen ist, läßt der Mensch den Grabhügel mit seinem Namen bezeichnen. Vom Steinway-Flügel bis zum Lacoste-Hemd begleiten uns die Namens-Hinweise auf Schöpfer und Designer. Nur der Architekt bleibt namenlos. Eher noch signieren Bürgermeister und sonstige Würden- und Bürdenträger eine Erinnerungstafel. Ein Bauwerk an sich, ob gut oder weniger gut gelungenes Produkt erzgestalterischer Kreativität, wird nicht signiert.

Der Mime, dem bekanntlich die Nachwelt keine Kränze flicht, vergeht mit seinem Spiel und Leben. Das Werk des Architekten hingegen steht und steht und steht.

Ein Maler müßte man sein, in Wien Hundertwasser oder Brauer, da wäre das ganze Haus eine bunte Handschrift, weitaus bekannter als die weniger bekannten Architekten Peichl oder Hollein. Wenn es hoch kommt in Reise- und Allgemeinbil dung, so sind ein Dutzend Architekten der europäischen Metropolen vom Mittelalter bis zur Neuzeit dem Bürger geläufig, die markanten eben, Gaudi und Eiffel, Fischer von Erlach und Lukas von Hildebrandt, Prandtauer und Parier. Der riesige Rest baulicher Weltgeschichte ist auf Hörsaal und Spezialliteratur angewiesen.

Diese Ungerechtigkeit des öffentlichen Raums ist der frustrierende Kreativ-Stachel derer, die am Konstruktions-Computer ausharren. Es gilt das Außerordentliche, das Gebrauchsrevolutionäre und Verblüffende zu wagen! Wer da in Demut Umwelt schont, Gewachsenes respektiert, Menschenmäßiges plant, der geht ein in die Anonymität des Zeitgeists, oder - wenn es hochkommt - in die Diskusssionsspalten grüner Magazine.

Hinter den kulturpolitischen Auseinandersetzungen der Gegenwart steht stets der Kampf der erzgestalterischen Kreativitäts-Gladiatoren. Mancher macht dann lieber ein Bühnenbild oder einen Festwagen. Da steht er wenigstens auf dem Programmzettel.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung