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Armee-Leitbild als Ideologie?

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Tod ist Tod, würde man glauben. Soldatentod ist Soldaten tod, sollte man meinen. Unsere Gesellschaftsordnung, die den Gleichheitsgrundsatz betont, verlangt es. Drei auf Zypern gefallene SoldatenJvtnirden In einein Staatsakt geehrt. Sogar das Staatsoberhaupt, w 01>erbefehlshaber, erwies ihnen die letzte Ehre. Gedenkt man so auch der im Heimatdienst verstorbenen Soldaten Wandl und Grosinger? Wo liegt der Unterschied? Im „gefallen“ und „gestorben“?

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Tod ist Tod, würde man glauben. Soldatentod ist Soldaten tod, sollte man meinen. Unsere Gesellschaftsordnung, die den Gleichheitsgrundsatz betont, verlangt es. Drei auf Zypern gefallene SoldatenJvtnirden In einein Staatsakt geehrt. Sogar das Staatsoberhaupt, w 01>erbefehlshaber, erwies ihnen die letzte Ehre. Gedenkt man so auch der im Heimatdienst verstorbenen Soldaten Wandl und Grosinger? Wo liegt der Unterschied? Im „gefallen“ und „gestorben“?

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Das Opfer, das Leben zu geben, ist gleich groß. Ihr Bestes, wo auch immer und für ihre Heimat, wollten alle fünf Toten geben. Dies trote des sehr feinen Unterschiedes. Wenngleich die auf ZH>ern Gefallenen dem Frieden dienen wollten, waren sie ihrer Bestimmung nach Söldner, Männer, denen das Risiko — wenngleich nicht iKxh — aber doch mit Geld abgegolten wurde. Die Toten der Mautemer Donauau und der Lobau kamen einer staatsbürgerlichen Pflicht nach. Hier wie dort waren zu ihrem Schutz Normen aufgestellt In der Fremde das Kriegsvölkerrecht, in der Heimat die Allgemeine DienstvorschTift

Der türkische Pilot, dessen Napalmbomben die drei Österreicher zum Opfer fielen, wird sich möglicherweise damit verantworten, er habe das UN-Fahrzeug nicht erkannt Die Verantwortlichen in Mau- tem und in der Lobau wollen die Leistungsgrenze ihrer Schutzbefohlenen nicht erkannt haben.

Soweit Ueßa sich eins große Parallelität erkennen. Oder liegt nicht gerade in diesem Analogieschluß die Wurzel?

Man hat vor allem den Generälen im Ersten Weltkrieg den Vorwurf gemacht, sie hätten in den Materialschlachten des Stellungskrieges im einzelnen Soldaten immer nur den Teil einer Quantität gesehen. Ist nicht für manchen Vorgesetzten auch heute noch der Soldat bloß eine Größenordnung des Stellenplanes, die einer per Gesetz verordneten Pflicht nachikommt? Wenn angeblich nicht, warum hat es bis zum heurigen Jahr gedauert, daß ein Stellungsverfahren, das den Kanzleivorschriften der k. u. k. Armee nachempfunden wurde, endlich Anpassung an die Gegenwart fand? Warum bedarf es zweier Toten, daß das Verteidigungsministerium die mehrfach angekündigten modernen Gesundheitsuntersuchungen realisiert und damit das alte Hörrohr des Musterungsarztes ersetzt? Mußten wirklich zrwei junge Menschen sterben, um endlich die

Frage der soldatischen Mitbestimmung ihres revolutionären Anstrichs zu befreien, um sie so, keimfrei gemacht, der Diskussion zuzuführen? Sind es bloß geistige Trägheit, administrative Unbeweglichkeit, die Reformen entgegenstehen — oder ist es ein unzeitgemäßer Geist, der in dieser Armee steckt?

Betrachtet man die Rechtfertigung des Ausbilders Wallechner, eines Mannes, über dessen geistige Qualifikation man sich einig ist, fällt auf, daß sie kaum von ihm stammen kann.

Einem Mann mit Volksschulbü- dung kommen Worte wie: „Man sieht vor lauter Largierem und Wehrdienstverweigerern nicht mehr durch“, nicht so glatt von den Lippen. Diese Sätze passen schon eher zum Kommentar des Kompaniekommandanten über die Institution des Soldatenvertreters. Offiziere, für die dieses Element soldatischer Mitbestimmung am Kochtopfrand endet, disqualifizieren sich automatisch als Menschenführer. Sie sind kunstgerechte Produkte eines hierarchisch aiifgebauten Modells, das dann versagt, wenn der Vorgesetzte nur Kontakt zur nächsten Befehlsöbene hat.

Wie ist es dann denkbar, daß über alle Beteiligten nur beste Zeugnisse vorliegen? Ein Glied einer Kette kann reißen, iaber nicht alle gleichzeitig. Wer aber mit einem Soldatenvertreter höchstens Kontakt über die Menage pflegt, kann die Stimmung seiner Untergebenen nur zum Teil kennen.

Da scheint es schon eher zuzutreffen, daß man Angst hat, einen Status aufzugeben, eine Autorität, die nicht in der moralischen Qualifikation begründet,, sondern durch die hierarchische Position gefestigt wird. Für viele stiAt noch immer das Oben das Unten, und man hat dem Geßlerhut — mit nnehr Sternen — Reverenz zu erweisen. Wie anders könnte in diesem Heer noch die allgemeine Grußpflicht verankert sein?

Eine Bestimmung übrigens, die .beiden Seiten, Vorgesetzten wie Un tergebenen, meist so lästig ist, daß sie stiHschweigend ignoriert wird. Oben wie Unten müßten sich ja auf frequentierten Kasemengängen die Hand an den Mützenrand binden.

Ja, es hat dieser Toten bedurft, um einmal einem hohen Juristen die Erklärung zu entlocken, daß ein Soldat auch einen Befehl verweigern kann, wenn er sich dem Übergriff eines Vorgesetzten nicht mehr erwehren kann. Denn bisher hieß die Parole: zuerst durchführen und dann beschweren.

Nur Tote können nicht mehr reden. Ein Heerespsychologe nannte das herrschende Soldatenleitbild eine Ideologie, derer man nur habhaft werden könnte, wenn die derzeit bestimmende Generation abgetreten ist. Solange man das herrschende Gesellschaftsbild bekämpft, die eigenen Institutionen für besser hält, glaubt, eine Schule der Nation spielen zu müssen, werden in einer demokratischen Wehrpflichtigenarmee stets unüberbrückbare Spannungen entstehen.

Wer die Geisteshaltung an der Haareslänge mißt, den Charakter an der Strammheit zu taxieren glaubt, die Fonschheit am lauten Kommandoton erkennt, dem sei Rolf Biglers Buch vom „Einsamen Soldaten“ verordnet.

Nicht der lauteste ist der beste Soldat, der menschliche ist es.

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