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Auf Sand gebaut

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1974 vereinnahmten die Mitgliedsländer der „Organisation erdölexportierender Länder“ (OPEC) über 37 Milliarden Dollar aus dem Geschäft mit dem „schwarzen Gold“. Noch vor 1980 werden diese Einnahmen auf etwa 90 Milliarden Dollar gestiegen sein und 1985 fast 40 Milliarden Dollar erreichen.

Mit solchen stolzen Bilanzen und Bilanzschätzungen schmeicheln OPEC-Finanzexperten gegenwärtig ihren Regierungen. Doch nicht alle sind so sehr vom Machtrausch besessen wie Lybien, das sich bereits finanziell übernommen hat, oder der Iran, der bei anhaltendem Ausgabetempo schon bald in die „roten Zahlen“ geraten dürfte.

In Saudi-Arabien hat eine Regie-rungs- und Expertenkommission unter der Leitung des als internationaler Erdöl- und Finanzfachmann geltenden ölministers Scheich Ab-dessaki el-Jamani, gestützt auf Studien der amerikanischen Finanzministeriums und der Weltbank, Erhebungen über Finanzbedarf und Finanzaufkommen der ölproduzen-tenstaaten ausgearbeitet. Für die meisten betroffenen Regierungen dürfte dieser Bericht einen nachhaltigen Schock bedeuten. Gibt es doch an seiner Richtigkeit keinen Zweifel-, Das geht unter anderem daraus hervor, daß etwa das winzige Erdölemirat Abu Dhabi sich bereits in ernsthaften Finanzierungsschwierigkeiten befindet und auf dem internationalen Markt um Kredite nachsuchen mußte.

Auch die Bäume der Erdölproduzenten wachsen offenkundig nicht in den Himmel und Preiserhöhungen werden nicht mehr allzu lange das Allheilmittel gegen die eigene Mißwirtschaft sein. Bezüglich des Iran stellt der zitierte Bericht apokalyptische Prognosen, das Land habe sich, was seine Rüstungslasten und wirtschaftlichen und sozialen Ent-wicklüngvorhaben angehe, schon jetzt übernommen. Der Schah hat die Erdölmilliarden in die jahrhundertelang zurückgebliebene Wirtschafts- und Sozialstruktur des Iran gesteckt. Nun stellt sich heraus, daß er sich zu viel vorgenommen hat.

Noch immer investieren die ölproduzenten in Arabien auf Teufel komm raus in ihre nationalen Volkswirtschaften. Uberall entstehen Fabriken und damit neue Arbeitsplätze. Mit ihnen entsteht aber auch ein Proletariat, das aufmucken wird, sobald das versprochene bessere Leben wieder im Wüstensand zerrinnt. Für die Produktionsbetriebe gibt es nämlich nirgendwo Inlandsmärkte (Saudi-Arabien etwa hat nur wenig mehr als zwei Millionen Einwohner). Für den Export werden die in diesen Ländern produzierten Waren aber noch lange wenig taugen, sie sind von so schlechter Qualität, daß die potentiellen Abnehmer unter den Entwicklungsländern ihre ohnehin knappen Devisen lieber bei europäischen und amerikanischen Anbietern loswerden.

Minister el-Jamani rät den betroffenen Regierungen daher, auf die kurzsichtige extensive Preispolitik und alle Pläne zur Bekriegung des Westens und zum Aufbau autarker Volkswirtschaften zu verzichten. Sein Modell schlägt eine enge wirtschaftliche Entflechtung zwischen Produzenten und Verbrauchern vor. Die ölländer sollen ihre Überschüsse also lieber in der westlichen Industrie investieren, als eigene aussichtslose Vorhaben durchzupauken. Bleiben sie bei ihrer bisherigen Politik, so werden sie am Ende dieses Jahrzehnts in die Armut und Bedeutungslosigkeit von einst zurücksinken.

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