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Das hat die Regierung aufgeweckt

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Von den Arbeiterkammerwahlen gilt prinzipiell gleiches wie von den Landtagswahlen: An sich haben sie auf die Zusammensetzung des Nationalrates und damit auch auf die der Bundesregierung keinen Einfluß. Wenn eine Regierung Nerven hat, kann sie Schlappe um Schlappe wie einen Flie-genschwarm abschütteln und weitermachen wie bisher.

Aber keine Regierung hat Nerven wie Stahlseile. Die der Regierung Sinowatz/Steger sind derzeit schon von einem mittleren Specht durchhackbar. Und der Schwarzspecht war in diesem Wahlkampf äußerst angriffslustig.

Deshalb haben alle Parteien den achten Arbeiterkammerwahlen seit Kriegsende erhöhte Bedeutung beigemessen. Die SPÖ wußte, was für sie auf dem Spiel stand, und hat entsprechend weitblickend gehandelt. In Tirol, wo die Mandatsverteilung bisher 35:34:1 für SPÖ, ÖVP und FPÖ stand, hat sie von Anbeginn alles getan, um nicht einen zweiten Kammerpräsidenten (der erste fiel schon 1969 in Vorarlberg an den tüchtigen ÖVPler Bertram Jäger) zu verlieren.

Man beschloß die Vorverlegung der eigentlich erst im Juni fälligen Arbeiterkammerwahlen auf April. Das hieß: Der Stichtag für die Wahlberechtigung fiel in den November statt in den Jänner, also in einen Nichtsaison-Monat. Außerdem wurde um die Wahlberechtigung Tausender rechtlich gefeilscht.

Damit konnte man hoffen, ein optisches Debakel in Tirol zu verhindern. Rechnet man dazu auch noch die Tatsache, daß der Arbeiter- und Angestelltenbund (ÖAAB) der ÖVP praktisch seit 1949 immer dazugewann, 1969 noch bei 23,5 Prozent hielt, 1979 aber schon bei 31 von hundert, dann weiß man: Der ÖAAB stand heuer vor der fast unmöglichen Herausforderung, noch einmal kräftig zuzulegen oder zumindest einen relativen Behauptungserfolg der Sozialisten verhindern zu können.

Dennoch ist das nahezu Undenkbare geschehen: Der Arbeitnehmerflügel der Volkspartei hat in ganz Österreich zwischen fünf und sechs Prozent dazugewon-nen, im Wahlkörper Angestellte die Sozialisten aus der Mehrheit verdrängt und in Tirol tatsächlich einen zweiten Präsidentensessel erobert; die Schrumpfung des im Ausmaß von 1979 unnatürlich guten Ergebnisses in Vorarlberg tut diesem Erfolg keinen Abbruch.

Die kaum noch reduzierbaren Freiheitlichen Arbeitnehmer haben ihre drei Prozent einigermaßen gehalten, die Sozialisten über fünf Prozent-Punkte verloren; sie sinken erstmals unter die 60-Pro-zent-Grenze: das schlechteste Ergebnis der Nachkriegszeit.

Es ist undenkbar, daß ein solches Ergebnis keine Auswirkungen haben könnte. Die Regierung ist angeschlagen, Österreichs Innenpolitik kräftig in Bewegung geraten.

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