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Der Laienbischof des Modernismus

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Die vorliegende Studie ist der Persönlichkeit eines Mannes gewidmet, der in der Modernismus-Krise unter Pius X. einen überragenden Einfluß ausübte, so daß er sogar der „Laienbischof des Modernismus“ genannt werden konnte. Die geistigen Väter dieser Strömung näher kennenzulernen, muß heute zumal von Interesse sein, da viele Positionen des Modernismus erneut vertreten und vehement diskutiert werden - diesen Informationsbedarf diagnostiziert zu haben, ist gewiß ein Verdienst des Verfassers.

So begegnet man denn auch in den skizzierten Gedankengängen Hügels immer wieder Ideen, die in den heutigen Auseinandersetzungen durchaus geläufig sind. Allerdings, mag die Ausstrahlung des Barons auch außerordentlich gewesen sein: ein klarer Denker war er offenkundig nicht! Ausführlichere Textproben machen deutlich, wie von Hügel vielfach in falschen Alternativen steckenbleibt und es ihm nicht gelingt, instinktiv erfaßte Probleme in eine klare, philosophisch und theologisch einwandfreie Sprache zu übertragen.

Demgegenüber ersteht aus den Darlegungen des Autors ein eindrucksvolles Bild von der Persönlichkeit des Barons als eines Mannes, der mit großer Lauterkeit versucht, seine philosophisch-theologischen Überzeugungen mit der Treue zur Kirche allen auftretenden Problemen zum Trotz in Einklang zu bringen - eine Haltung, aus der sein (für heutige Ohren eindrucksvolles) Bekenntnis erwächst, die Zugehörigkeit zur katholischen Kirche habe ihn vor Skepsis und Hochmut bewahrt und sei ebenso mit einer gesunden Freiheit der Forschung vereinbar (S. 119). Dies ist um so bemerkenswerter, als man die Kirche seiner Zeit vom Vorwurf einer gewissen Enge in der Tat kaum freisprechen können wird.

Die Schwäche des Buches liegt darin, daß Hügel durch den Autor allzu unkritisch glorifiziert wird: ihn mit Newman, ja Thomas von Aquin oder gar Paulus zu vergleichen, ist mehr als die subjektive, geschichtlich verzerrte Perspektive seiner Freunde zu belächeln, denn emstzunehmen (S. 144). Man sollte sich da doch lieber dem Urteil Blondels anschließen, der meinte: „Wir sollten den guten Baron sehr heben, denn er verdient es wirklich; aber wir sind überzeugt, daß er irrt“ (S. 82)— in vielen Punkten! Dennoch ein Buch, das dazu beitragen kann, die heutige Krise der Kirche mehr im Licht ihrer Geschichte zu betrachten und vielleicht aus dieser Sicht zu bewältigen.

RELIGION ZWISCHEN KIRCHE UND MYSTIK. Friedrich von Hügel und der Modernismus. Von Peter Neuner. Verlag Josef Knecht, Frankfurt 1977. 158 Seiten, öS 152,50.

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