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Digital In Arbeit

Der OGB hat sich gesonnt

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Daß es zwischen Partei(en) und Gewerkschaft(en) zu Auseinandersetzungen über Abhängigkeit und Ungebundenheit kommt, ist kein Novum. Und um es in Österreich erst gar nicht dazu kommen zu lassen, hat bereits Victor Adler das Bild von den siamesischen Zwillingen geprägt.

SPO-Zentralsekretär Heinrich Keller hat jetzt aus aktuellem Anlaß dieses Bild wieder hervorgekramt. Nach Fußtritten für Verstaatlichten-Minister Rudolf Streicher und Buh-Rufen gegen ÖGB-Präsident Anton Benya hat es tiefe Risse bekommen.

Stinksaure Arbeiter, die man jahrelang mit Arbeitsplatzgarantien eingelullt hat, packt die Existenzangst. Und sie packen Partei- und Gewerkschaftsbuch zusammen und schicken sie nach Wien zurück. Sie fühlen sich belogen und betrogen.

Partei- und Gewerkschaftsbuch haben aufgehört, als Argument zu gelten. Fred Sinowatz war damit noch von „Betriebskaiser” Franz Ruhaltinger in die Knie zu zwingen, weil er ihm im Falle von Kürzungen bei freiwilligen Sozialleistungen — noch dazu vor Betriebsratswahlen - mit Parteiaustritten gedroht hat. Jetzt hilft kein Drohen und kein Zetern mehr.

Plötzlich bricht zwischen den Arbeitern in den Betrieben und den Herren am Schreibtisch eine Kluft auf, scheint zwischen der Löwelstraße und der Hohenstaufengasse in Wien nicht nur ein U-Bahn-Bauschacht zu klaffen. Wirklich so plötzlich?

Zwentendorf, Hainburg, Verstaatlichte sind Stationen einer Entwicklung: Das grenzenlose Vertrauen, daß ganz oben ein Machtwort des Präsidenten alles durchsetzbar macht, ist schon lange erschüttert.

Die Klage, daß sich viele Gewerkschaftssekretäre als politische „Gschaftlhuber” und Multifunktionäre produzieren, die kaum mehr Zeit für die Menschen in den Betrieben haben, wurde geflissentlich überhört.

Der Verlust an Solidarität durfte kein Thema sein. Es wurden jene vertreten, die Arbeit haben, und jedes Uberstundenprivileg war gut genug, gegen Arbeitslose verteidigt zu werden. Nur lauter— wie es so „schön” heißt — wohlerworbene Rechte, die gewahrt sein wollen.

Ob das nun für die SPÖ ein „Kern-” und für die ÖVP ein „Randschichtenproblem” bedeutet, ist nebensächlich. Beide Regierungsparteien müssen an einer Gewerkschaftsbewegung Interesse haben, die Vertrauen ausstrahlt: Dann aber müssen die Arbeitnehmer und Arbeitslosen, nicht aber die Parteien ihre Interessen im ÖGB vertreten sehen. Besser der Krach am Verhandlungstisch, als der Krawall auf der Straße.

Nicht zwei Stunden in der prallen Sonne, jahrelanges Sonnen in Selbstgefälligkeit haben Aggressivität freigesetzt. Das bekommt der ÖGB nur dann in den Griff, wenn er es begreift.

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