7066240-1992_05_11.jpg
Digital In Arbeit

DIE SUCHE NACH NEUEN BINDUNGEN

Werbung
Werbung
Werbung

Konsumenten sind wie Ping-Pong-Bälle, die zu treffen immer schwieriger wird, klagt die Werbewirtschaft. Die FURCHE fragte den Chef des Institutes für Markt-, Meinungs- und Mediaplanung in Linz, ob moderne Marktstrategien helfen, die „Trefferquote" zu erhöhen.

FURCHE: Die Wirtschaft versucht massiv, Kaufentscheidungen kalkulierbar zu machen. Wie prognostizierbar sind Konsumenten?

WERNER BEUTELMEYER: Ein Blick in Standardwerke der Konsumpsychologie über Konsumverhalten zeigt eine Unzahl von Erklärungen und Theorien. Ein Beweis dafür, wie schwer das Konsumverhalten des Menschen exakt zu beschreiben ist. Der Soziologe hat andere Erklärungsmuster als der Lemforscher, und der wieder andere als der Psychologe. Eigentlich kann man hier von einer Ohnmachtder Wissenschaft sprechen, die das Phänomen Konsumverhalten nicht so einfach erklären kann. Es gilt hier wie beim Verhalten bei Wahlen oder im zwischenmenschlichen Bereich: Der Mensch ist nicht prognostizierbar, er läßt sich nicht so ohne weiteres fassen und berechnen.

FURCHE: Das gelingt auch nicht mit feineren Forschungsmethoden?

BEUTELMEYER: Die Sozialwissenschaften haben sich weiterentwik-kelt, die Theorien über Kundenverhalten in der Soziologie sind besser geworden, die Lerntheorie kann mit mehr Know-how aufwarten. Kurzum, alle Instrumente sind perfekter geworden. Man glaubt allgemein, es sei leichter geworden, die Konsumenten in eine bestimmte Richtung zu polen. Das stimmt abernicht. Sehen Sie sich als Beispiel die blamablen Ergebnisse der Wahlforschung an. In der Wirtschaft werden Prognoseflops halt nicht veröffentlicht, in der Politik hingegen schon.

FURCHE: Sind die Österreicher nicht nur als Wähler, sondern auch als Konsumenten beweglicher upd unberechenbarer geworden?

BEUTELMEYER: Das Verhalten der Konsumenten war früher sicherlich wesentlich stabiler. Die Ursachen lassen sich nicht so leicht erklären. Die Folgen sind hingegen klar: Beim Anbieter steigen Risiko und Unsicherheit, wie sie den Konsumenten überhaupt richtig ansprechen können. Ein Element dieser Instabilität ist ein Wertewandel in Richtung Mobilität und der Verlust von Bindungen. Es gibt nicht nur die Brüchigkeit bei Familien-, Institutionen, oder Parteienbindungen, sondern auch beim Markt und beim Einkaufszentrum. Die Gruppe jener Konsumenten ist größer geworden, die einmal hier und einmal dort, einmal dies und einmal jenes kauft. Es gibt nicht mehr diese starke Bindung an eine Marke. So gesehen ist bei der Machtverteilung der Konsument auf der besseren Seite. Wenn er offenbar so locker hin-und herwechselt, ohne daß ihn die Wirtschaft gut polen kann, dann hat er enorme Möglichkeit, einiges durchsetzen.

Dieser Verlust an Bindungen wird auch noch unterstützt durch Entwicklungen am Markt, weil die Anbieter ihr Angebot deutlich erhöhen. Dadurch sind die Produkte austauschbar geworden. Dieser beweglich gewordene Konsument macht es aber schwieriger, Prognosen über das Kaufverhalten abzugeben. Der Verlust von Treue und Mobilität bewirken nur mehr kurzfristige Erfolge in Marktnischen, das Trefferrisiko wird ungemein erhöht, die Verlusttreffer Wirtschaft werden immer höher. Das wiederum führt zu einem größeren Marketing- und Werbedruck. Die Ausgaben für die Umgarnung des Konsumenten sind ungeheuer gewachsen.

FURCHE: Was kann die Marktforschung leisten, entdeckt sie Trends?

BEUTELMEYER: Die Marktforschung möchte wissen, wie der Konsument eine bestimmte Marke wahrnimmt und welches persönliche Bild er einem bestimmten Produkt zuordnet. Das gibt Aufschluß über die Stärken und Schwächen, Glaubwürdigkeit, Bindung und Potential der Marke eines Produktes. Das Potential eines Produktes ist heute primär ein psychologisches Potential. Im Grunde wäre es ziemlich egal, welche Seife verwendet oder welches Auto gefahren wird. Aber dem Konsumenten ist das nicht gleichgültig. Er sucht Identifikationsmuster, sucht Bestätigung. Er sucht Dinge, die zu ihm passen.

FURCHE: Soziale Positionierung beeinflußt zunehmend Kaufentscheidungen?

BEUTELMEYER: Wer es schafft, ein Produkt glaubwürdig zu positionieren, hat eine prägnante Marke. Das müssen die Werbemaßnahmen schaffen. Diese sind aber ungeheuer mühsam und kostspielig geworden. Produkte werden heute immer weniger durch das Ansprechen von bestimmten Zielgruppen, den Nutzen, Qualität oder Preis verkauft, sondern über Identifikationsmuster, über psychologische Eigenschaften. Damit wird massiv an das Manipulationspotential appeliert, das zweifellos vorhanden ist. Es ist ungeheuer schwierig für die Werbung, bis zum Gedächtnis des Konsumenten vorzudringen. Wer kennt schon mehr als drei Haarsham-poomarken,obwohl es Dutzende gibt? Der Verdrängungswettbewerb am Markt beginnt bereits im Kopf der Konsumenten, und viele Produkte bleiben auf der Strecke.

Das sind doch eigentlich Zeichen für die Macht der Konsumenten und die Ohnmacht der Wirtschaft.

FURCHE: Wie schätzen Sie die Macht der Konsumenten ein, die sie durch Gewährleistung und Produkthaftung haben?

BEUTELMEYER: Hier hat der Konsument eine große Entfaltungsmöglichkeit. Er kann durchaus Firw* men ruinieren, und er tut das auch. Es laufen Prozesse, wo es um Haftungsfragen geht. Beispielsweise um die Frage, inwieweit Produkte gesundheitliche Probleme auslösen, Karies et cetera. Da zittert die Industrie vor der Macht des Konsumenten und vor dem, was über die Medien ins Rollen kommt. Im Augenblick hat er eine ungeheure Macht. »

Das Gespräch führte Elfi Thiemer.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung