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Ein Bekenntnis zum Weiterwursteln?

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Als die österreichische Wirtschaft im Winter 1966/67 im Konjunkturtal festsaß, verkündete der damalige Oppositionsführer Bruno Kreisky, daß die SPÖ die bessere Partei für schlechtere Zeiten sei. Zu begründen brauchte er diese einprägsame Aussage, nie, zu Beginn des politischen Herbstes 1977 haben dagegen er und seine Partei diese Feststellung restlos dementiert.

Es geht drunter und drüber in der Wirtschaft: Das Handelsbilanzdefizit hat sich in den letzten sieben Jahren verfünffacht, das erste Mal seit einem Vierteljahrhundert hat Österreich eine defizitäre Zahlungsbilanz, der Devisenvorrat der Nationalbank hat, so ÖVP-Obmann Josef Taus, „die Schwindsucht bekommen“. Das Handelsbilanzdefizit ist im ersten Halbjahr auf 32 Milliarden Schilling gestiegen, Österreich ist zu einem internationalen Schuldnerland geworden; noch immer keine schlechte, doch nicht mehr eine erste Adresse.

Im laufenden Jahr soll das Budgetdefizit eine Höhe von rund 50 Milliar-

den Schilling erreichen, trotz Mehrbelastungen im Ausmaß von bislang 33 Milliarden Schilling seit Jahresbeginn 1976, einem Abgabenänderungsgesetz, das dem Staat rund 17 Milliarden Schilling bringen soll und der Absicht, für sogenannte „Luxusgüter“ (Kühlschränke, Geschirrspüler, Farb-TV- Geräte usw.) eine 30prozentige Be-

steuerung einzuführen, wird das Defizit des Budgets 1978 nicht wesentlich darunter liegen.

Es geht drunter und drüber in der Regierungspartei und in der Bundesregierung. „Falke“ Hannes Androsch gegen die „Taube“ Kreisky, der eine will die Sanierung Österreichs zügig vorantreiben, der andere glaubt immer noch, daß Österreichs Wirtschaft und Gesellschaft so heil sind, wie sie es waren, als er die Regierungsgeschäfte übernahm. ÖGB-„Kaiser“ Anton Benyaschickt den Soldaten aus, der verkündet, die Sanierung Österreichs sei ihm wichtiger als ein Erfolg bei den nächsten Wahlen.

Für die Oppositionist, so JosefTaus, „Österreich zum Sanierungsfall“ ge worden. Liest man die Kommentar^ zur Entwicklung der österreichischen Wirtschaft in ausländischen Gazetten, wird man ihm beipflichten müssen. Da wird von Ausländskorrespondenten, die mit der SPÖ sonst ein recht herzliches Verhältnis unterhalten, ein „chaotisches Land“ („Berliner Tagesspiegel“) beschrieben. Selbst die „Kronen-Zeitung“, bislang die Verkünderin und Bewunderin offizieller Regierungspolitik, hat die rosaroten Brillen abgelegt und beschreibt ein Land, von dem zuletzt die Bundesregierung weiß, wie es weitergehen soll.

Zu Beginn dieser Woche tagte die Regierung im Verein mit der Creme sozialistischer Spitzenpolitiker am JCahlenberg und legte dort ein bemerkenswertes Bekenntnis zum „Weiterwursteln“, ebenso mut- wie konzeptlos ab.

Wer da glaubt, Kreisky, dem die „weiche Tour“ besser liegt, hätte sich durchgesetzt, irrt. Durchgesetzt hat sich die alte Methode, den Leuten Sand in die Augen zu streuen, sie auf bessere Zeiten zu vertrösten. Nur: Die Leute merken das Spiel, fühlen sich gefoppt. Wenn alle wissen, daß es so nicht weitergehen kann, muß eine Regierung, die das Gegenteil behauptet, auf' der Strecke bleiben. Kreiskys Vorgänger Brunę Pittermann, nach den Chancen dieser Regierung im Jahre 1970 befragt, meinte: „Das Ende wird schrecklich.“ Es steht zu befurchten, daß er recht behält

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