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Es läuft nichts!

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Jedes bessere Unternehmen plant heute für zehn Jahre im voraus und darüber. Wir Politiker jagen — vielfach ohnedies vergeblich — Aktualitäten von gestern und Stimmungen von morgen nach. Das gilt für die Opposition, aber auch für die Regierung. Die Koalition hat vor 500 Tagen mit großem Reformeifer begonnen -

manches ist auch erreicht worden wie Steuerreform, erste Budgetsanierungsschritte und EG-Dynamik.

Seither ist Sand ins Getriebe gekommen, und vieles wurde hinausgeschoben — wie Pensionsreform, weitere Budgetschnitte, die Neue Bahn. Wenn der kritische Bürger an manchen Tagen die Zeitungen aufschlägt, hat er den Eindruck, Visaerteilung für einen afrikanischen Zuluhäuptling, Englischübersetzung eines Gutachtens, Abteilungsbesetzungen in Ministerien, Aufsichtsratsabtausch in Staatsbanken und so weiter seien die Kernfragen der Bundesregierung.

Eine große Koalition ist aber etwas Außer-Gewöhnliches — der Normalfall ist doch der, daß einer starken Regierung eine starke Opposition gegenübersteht. Eine große Koalition muß daher auch etwas Außer-Gewöhnliches leisten, sonst verliert sie ihre Berechtigung.

Was wäre dieses Außer-Ge-wöhnliche heute?

Denken und Planen über eine Legislaturperiode hinaus. Es gibt in Österreich heute - 140 Monate vor der Jahrtausendwende, einem beinahe mythischen Datum -kaum ein Projekt, das über das Jahr 2000 hinausweist. Das Budgetszenario endet 1992, die Weltausstellung soll 1995 stattfinden,

geplante Straßenprojekte verlieren sich irgendwann um das Jahr 1997.

In Japan stieß ich vor etwa einem Monat auf eine „Gesellschaft der Freunde des 21. Jahrhunderts“. Träger dieser Gesellschaft sind Wirtschaftsleute und weitblickende Politiker. Ihr Ziel ist es, Projekte und Entwicklungen zu fördern, die über die Jahrtausendwende hinausweisen, zum Beispiel eine Forschungsstadt für Osaka, so ähnlich wie das existente Megaprojekt einer Science-Ci-ty in Tukuba nördlich von Tokio.

Was wären nun Aufgaben einer solchen „Gesellschaft der Freunde des 21. Jahrhunderts“ in Österreich?

• Ein sorgfältigerer Umgang mit dem kostbarsten Gut unseres Landes - dem Menschen und seiner Ausbildung:

Ob wir in 20 Jahren wettbewerbsfähig sind mit West, Ost und den Schwellenländern, entscheidet sich nicht irgendwann, sondern bereits heute in unseren Kindergärten, Volksschulen, mittleren und höheren Schulen und an den Universitäten. Landeshauptmann Martin Purtscher hat dies folgerichtig erkannt, als er das Thema der notwendigen Bildungsreform zu einem zentralen Schwerpunkt seiner Antrittsrede gemacht hat und zugleich von der Notwendigkeit lebenslangen Lernens (etwa im Abtausch zu Arbeitszeitverkürzungen?!) gesprochen hat.

• Optimale Entwicklung des kostbaren Rohstoffes Kultur:

Von den vielen Gästen, die uns besuchen, kommt niemand wegen des Rinterzeltes oder der neuen Reichsbrücke. Viele wollen unsere Baudenkmäler sehen, das

Kunsthistorische Museum, das fünftwichtigste der Welt, unsere Theater, Konzertsäle... Wie aber gehen wir damit um? Wir können nicht einmal die durchgehende (bescheidene) Öffnungszeit im Kunsthistorischen Museum sicherstellen; kulturelle Erweiterungsprojekte (Messepalast) sind in die Ferne gerückt. Am Geld kann es nicht liegen, schließlich standen doch auch 3,5 Milliarden Schilling für ein Staatsarchiv ohne weiteres zur Verfügung — oder? • Hegen wir unsere Natur und Landschaft:

90 Millionen Ausländerübernachtungen sind wohl auch ein wirtschaftliches Argument dafür, auch in Zukunft gesunde Luft, reines Wasser und eine intakte Landschaft zur Verfügung zu haben. Ich weiß schon, daß nur internationale Kooperation die Probleme lösen kann, aber Österreich muß in der Spitze der industrialisierten Länder sein.

Es müssen aber auch offensive neue Projekte durchgeführt werden — wie die Entwicklung des Donauraumes, eines uralten kulturellen Erbes mit wertvoller Kunstsubstanz, das im vergangenen Jahr (Wien ausgenommen) gleich viele touristische Ubernachtungen aufzuweisen hatte wie ein einziger Ort im Zillertal in sechs Monaten.

Der Phantasie der Freunde des 21. Jahrhunderts sei keine Grenze gesetzt. Die einzige Bedingung für solche Freunde ist, daß das unsichtbare Motto für die österreichische Politik von heute „Alles geht, nichts läuft“ außer Kraft gesetzt werden muß.

Der Autor ist Generalsekretär des Osterreichischen Wirtschaftsbundes.

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