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Randhemerhungen zur woche

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DER GLEICHENFEIER DER LIMBERGSPERRE wohnten am 22. September 1951 der Bundespräsident, zwei Minister, die Landeshauptleute last aller Bundesländer, eine festlich gestimmte Menge persönlich bei — als Repräsentanten für das ganze österreichische Volk, das erwartungsvoll der Fertigstellung dieser größten Kraftanlage Europas entgegensieht. Die Limberger Staumauer, die drittgrößte der Welt, darf als Zeichen erfüllter Hoffnung von allen begrüßt werden, die in diesem Lande arbeiten: geplant in Vorkriegs jähren, begonnen im Schatten des zweiten Weltkriegs, erkämpft in der Unsicherheit der Nachkriegsjahre, steht sie nun da, in ihrer sicheren Wucht, in der Schönheit ihrer Gestalt, in der Klarheit ihrer technischen Formung, als ein Zeichen für österreichischen Leistlingswillen, für Österreichs Glauben an eine gute Zukunft. In grauer Vorzeit (so scheint es nun fast) war es Brauch, bei solchen Anlässen allen Beteiligten Dank zu sagen: den Männern der Arbeit, des Geistes, des Geldes, der Macht — und Gott. Dem Schöpfer der Hirne und Hände, dem Herrn der Felsen, der Wasser, des Himmels und der Erde. Ihm pflegte man also Dank zu sagen und befahl in der Weihe das irdische Werk seinem Segen. In Kaprun hat man verzichtet: auf die Weihe, auf den Dank nach oben. Groß ragt das Werk von Kaprun. Klein aber ist es, verglichen mit den Bergen über ihm. Noch kleiner, gemessen an den Elementen, an Himmel und Wasser über jenen. Kleiner aber noch sind die Menschen, die dem Werk dienen. Am kleinsten aber ist deren Sinn und Herz, wenn alle Pracht der Schöpfung, der Natur und Kreatur es nicht vermag, sie aufzuschließen zu einem Ja des Dankes nach oben. Wir wissen nicht, wer bei den Vorberatungen über die Feier das entscheidende Nein gegen das große Ja gesetzt hat. Gerüchte wollen wissen, dieser Beschluß sei bei der unweit Kaprun in Zell am See kurz vorher veranstalteten Tagung des Bundes der sozialistischen Akademiker gefallen. Wir möchten dies nicht recht glauben: sozialistische Akademiker wissen heute auf der ganzen Welt, wie leicht technisch - industrielle Gigantwerke sich zu Werkzeugen der Versklavung nutzen lassen, so der rechte Sinn für Freiheit und Menschenwürde fehlt. Und immer mehr von ihnen ahnen heute auch bereits, wie >sehr die Weihe des Menschenlebens an der Weihe durch Gott hängt. Steht also das Werk von Limberg, die Arbeit von Fleiß und Schweiß, im Schweigen der Natur, zu dem sich ein Schweigen, bange und ver-| legen, des Menschen gesellt.

DIE BILANZ DES ÖSTERREICHISCHEN FREMDENVERKEHRS, die dieser Tage veröffentlicht wurde, kann mit erfreulichen Erfolgen aufwarten. Eine halbe Milliarde Schilling an Devisen ist auf diesem Wege seit Jahresanfang in das Land geflossen, hat sich in Lebensmittel, Rohstoffe und Kohle verwandelt. Eine beachtliche Ziffer — schon aus der Sicht von heute! Wenn die Amerikahilfe, deren mögliche Kürzung uns eben so tief beeindruckt hat und deren Ende abzusehen ist, eines Tages aufhört, wird der Devisensaldo unseres Reiseverkehrs eine der Hauptsäulen unseres Wirtschaftsverkehrs sein. Man muß deshalb den Feststellungen der Auslandsvertreter des österreichischen Fremdenverkehrs gerade dort höchste Beachtung schenken, wo ihre Beobachtungen in die Zukunft weisen. Hier nun werden Besorgnisse laut, die sich zunächst auf das Gebotene selbst beziehen. Nicht überall habe man alles gehalten, was man im Prospekt an Komfort versprochen hatte. Man erfährt andererseits von Zuschlägen und Preisen, die einen Aufenthalt in Österreich auch für Zahlungskräftige unrentabel zu machen drohen. Schon ist da die äußerste Grenze erreicht — ein kleines „Mehr“ wendet das Blatt, und da auf dessen nächster Seite genug fremdenwerbende Länder stehen, wird der ausländische Gast nicht so rasch wieder zum Kapitel „Österreich“ zurückblättern, wenn er es, einmal enttäuscht, überschlagen hat. Die Erinnerung an die Zeiten der Not, da jedem Dollar ein geradezu mystischer Wert innewohnte, mag manchmal zu der Täuschung verleiten, jeder Devisenbesitzer müsse ein Krösus sein. Unserem Fremdenverkehr, jedem einzelnen seiner Betriebe scheint nun die Wahl auferlegt: entweder für eine zahlenmäßig engbegrenzte Schichte bestsituierter Gäste zu hohen Preisen wirklich Erstrangiges zu bieten, oder aber dem in- und ausländischen Mittelstand zu dienen, dessen Mittel — aber auch dessen

Anforderungen — begrenzt sind. Hier wird die Vielzahl den möglichen bescheidenen Gewinn zu steigern haben. Wenn sich diese Verteilung eingespielt hat und unser Land, dessen Naturschönheiten und Kulturgüter ein unschätzbares geistiges und wirtschaftliches Kapital darstellen, jedem „das Seine“ zu geben bereit ist, werden die Besorgnisse schwinden, die sich heute, in den Tagen des Erfolges, den verantwortungsbewußten Fachleuten wie dem unvoreingenommenen Beobachter aufdrängen.

DIB BRITISCHEN WAHLEN werden also doch nicht erst im kommenden Frühsommer, sondern schon am 25. Oktober, also vor Beginn des Winters, stattfinden. Die weitverbreitete Erwartung, die Regierung Attlee werde an ihrer mikroskopischen Parlamentsmehrheit Schiffbruch leiden, hat bekanntlich getäuscht. Die Disziplin der sozialistischen Parlamentsfraktion hat sich, was die Präsenz bei wichtigen Abstimmungen betrifft, bewährt. Weniger gefestigt erwies sie sich in grundsätzlichen Fragen. Hier hat der linke Flügel unter Aneurin Bevan mit solenner Offenherzigkeit seine Abweichung von der offiziellen Parteilinie manifestiert. Am 5. Oktober wird der nächste sozialistische Parteikongreß zusammentreten, und die Regierung hat mit der Festsetzung des nahen Wahltermins gewiß auch die Absicht verbunden, der Opposition in den eigenen Reihen den Wind aus den Segeln zu nehmen, sie durch den bevorstehenden Wahlkampf erneut auf die gemeinsame Linie zu verpflichten. Dazu stellt die höchst unbefriedigende außenpolitische Lage das britische Zentrum des Commonwealth vor Probleme, die einen Appell an das Volk nahelegen. Der Konflikt um das persische Erdöl, die Differenzen mit Ägypten um die Suezkanalbesetzung, die Positionsminderung in Jordanien, der Streit zwischen Indien und Pakistan — das sind nur einige der wichtigsten Punkte auf einer langen Sopgenliste. Schließlich steht England auch wirtschaftspolitisch vor einem „Winter seines Mißvergnügens“. Kohlenknappheit im Hause des traditionellen Weltkohlenlieferanlen, neuerliche Kürzung der Fleischration — ein Leben verschärfter austerity sechs Jahre nach Kriegsende. Gewiß hätte ein Teil dieser Sorgen auch die Tage jeder anderen britischen Regierung verdüstert. Aber im ganzen rief die Lage doch entschieden nach einer neuen Entscheidung des Volkes, und Attlee ruft diese lieber heute an als nach einem entbehrungsreichen Winter. Die Entscheidung wird von weltpolitischer Bedeutung sein. Entscheidung? Noch ist die Wahlkampagne nicht eröffnet, noch haben die Parteien ihre Trümpfe nicht auf den Tisch gelegt. Das Rennen Ist offen.

EIN GRUNDSATZLICHER WANDEL IN DER STRUKTUR DER FRANZÖSISCHEN PRESSE Ist seit Kriegsende festzustellen. In den „Cahier francais d'Information“ zieht der Präsident der „Socliti Nationale des Entreprlses de Presse“ eine Bilanz der Nachkriegsentwicklung de» französischen Zeltungswesen», die In der Feststellung gipfelt, daß die französische Presse Ende vorigen Jahres bei einer Leserzahl von rund 12 Millionen, verglichen mit dem Stand vom Jahre 1933, rund 3 Millionen Leser eingebüßt hatte. Die absteigende Tendenz der Auflageziffern setzte nicht erst nach dem Kriege ein, war vielmehr, von kurzen Unterbrechungen abgesehen, schon seit 15 Jahren zu beobachten. Bereits am Vorabend des Krieges standen verschiedene große Zeitungsunternehmen kurz vor dem Bankrott. Seit dem Kriegsende am schärfsten von dieser Entwicklung betroffen ist jedoch die Pariser Presse, deren tägliche Gesamtauflage von 7 Millionen im Jahre 1939 auf 4,5 Millionen Im Jahre 1 9 5 0 zurückging. Zwischen dem 1. Jänner 1945 und dem Dezember 1950 haben nicht weniger als fünfzehn wichtige Pariser Tageszeitungen Ihr Erscheinen eingestellt. Demgegenüber hat sich die Provinzpresse, deren Auflage, verglichen mit der Zeit vor dem Kriege, zwar auch einschrumpfte, besser gehalten. Im Jahre 1938 erschienen in Frankreich außerhalb von Paris 197 Tageszeitungen mit einer täglichen Gesamtauflage von 7,8 Millionen Exemplaren. Im Jänner 1949 waren es noch 139 Zeitungen mit einer Auflage von 7 Millionen. Die Auflagekrise der französischen Presse ist also In erster Linie eine Krise der Pariser Presse. Der potentielle Kundenkreis der Pariser Presse ist seit dem Krieg auf die Einwohner der Hauptstadt selbst und ihrer näheren Umgebung beschränkt.

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