7030152-1989_27_08.jpg
Digital In Arbeit

Feiern ohne Lebenswert, Festspiele aus Pflicht

Werbung
Werbung
Werbung

Die Festwochen sind in vollem Gang. Das künstlerische Überangebot des Jahres ist zum Über^Uberangebot von Wochen geworden; einbreitesSpektrxmivon Festen xmd Festivals ist eine mehr als axifwendige Ergänzxing. An-BChheßend werden sommerliche Festspiele zxir nächsten Saison überleiten. Es hat den Anschein, als würde die Menschheit zxisammen-brechen, wennsie nxir vierzehn Tage lang ohne künstlerisches oder weniger künstlerisches Angebot bhebe.

Dennoch hat man mehr das Gefühl von Hochkonjunktxir als von innerer Notwendigkeit, mehr von End-spxirt als von Erhebimg: von Festen, die mehr demonstriert als gefeiert werden. Es fehlt der Lebenswert.

Nichts hat heute Lebenswert. Nicht imser Essen, nicht tinsere Beziehxmgen (sonst kämen wir gar nicht auf die Idee von „Mitspielfesten“), nicht xmsere Kxinst Sie hat vielleicht einen poUtischen, einen analytischen, satirischen oder virtuosen Wert - aber keinen Lebenswert. Wir lachen ohne fröhlich zu werden, wir staxmen ohne xrns zu öffaen, xmd wir werden hinterher nicht in ein erneuertes Leben entlassen, sondern nxir in die nächste Vorstellimg.

Das Publikum, das zu Festspielen strömt, strahlt den Fatalismxis von saisonlänglich Verurteilten axis. Kostspieligkeit verschärft die Situation. Da würde doch keiner seine 1.000 Schilling-Eintrittskarte verfallen lassen, weil er eine halbe Stxmde vor Beginn der Vorstellxing eine erlösende Nachricht erfahren hat, dazu ein Sonnenstrahl durch grauen Nebel bricht, xmd alles in ihm drängt, dieses seehsche Axifat-men dxirch Atmen in der Natxir zu wiederholen, um sich zu freuen, axifzublühen, so das Fest zu feiern, zu dem er so xmvorhergesehen eingeladen wxirde.

Er würde sich verpf hebtet fühlen, zur Nexmten Mahler zu gehen xmd sie über sein Erlebnis hinwegwalzen lassen, wie ein Bagger über eine blühende Wiese. Er hat den Kxinst-wert dem Lebenswert geopfert. Er hat das Fest den Festspielen geopfert.Ein Fest ist eine Überstei-genmg, eine Überhöhxmg, xmd bedarf als Gegenpol xmserer Erbärm-Uchkeiten.

Wir aber feiern nicht mehr, weil wir schwer gearbeitet haben, weil wir Rettxmg erfahren haben, weil xms etwas Besonderes gelxmgen ist, weil wir, wenn auch vielleicht nxir für einen Axigenbhck, inmitten unsererBedrängnisse die Gewißheit zxiließen, daß alles gut ist in Ewigkeit - wir feiern, weil wir noch besser sein wollen als wir sowieso schon sind.

Und es gelingt xms nicht. Es ge-hngt xms nicht, obwohl wir einen Zyklxis aufrechterhalten, der etwas von einer Intensivstation an sich hat

Aber vielleicht sollte man es auch anders sehen, wie man jede xmge-simde Strxiktur, jede Sucht auch anders sehen sollte. Vielleicht übersteigern wir etwas, das nichts mehr birgt, weil wir, wenn auch xmbe-wxißt, noch wissen, daß da etwas war xmd weil es vielleicht wieder einmal da sein wird, wenn wir nxir zücht axifhören, wenn wir nxir nicht axifgeben.

Und so gesehen sollten wir einfach Ja sagen zu xmseren FestUch-keiten, sollten auch jene die Festspiele besuchen, die schon lange nicht mehr hingehen, weil sie ausgestiegen sind, weil sie enttäxischt sind, weil sie nicht mehr das Gefühl haben, daß sie dabei sind, xmd die ihre Feste abseits feiern, mit ebenso fragwürdigem Erfolg. So gesehen sollte es die Subkxdtxir mit den Festen der Hochkxiltur versuchen xmd ximgekehrtDenn axif der Suche nach etwas Verlorenem weiß niemand, wo es zu finden ist, imd wann es gefunden werden kann. Wenn wir nicht mehr feiern können - vielleicht sollten wir wieder beginnen, feiern zu wollen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung