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Gelten die KPF-Wahlversprechen in der eigenen Partei nichts?

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Eines kann jedoch nicht abgestritten werden: Die Beziehungen zwischen Parteileitung und bekannten marxistischen Intellektuellen haben sich verschlechtert. Statt Roger Garaudy sind es nun zwei bekannte Wissenschaftler, die sich im Widerspruch zur Parteizentrale befinden: Professor Althusser, der wohl profilierteste Marxist Frankreichs, und sein Kollege Elleinstein, ein Historiker, der sich bereits international einen bedeutenden Namen geschaffen hat, vor allem mit seiner grundlegenden Studie über den Stalinismus. Daneben haben noch rund 300 weitere Intellektuelle die Partei aufgefordert, aus den Märzereignissen entsprechende Konsequenzen zu ziehen.

Vergeblich klopften die beiden Parteikritiker an den Türen der Redaktion des Zentralorgans „L'Humanite“. Auch andere kommunistische Zeitschriften boten den beiden Gelehrten keinen Platz für ihre Thesen an. Althusser und Elleinstein publizierten trotzdem - in „Le Monde“, und damit konnte die gesamte französische. Presse Einblick in die Gedankengänge und Reformwünsche der beiden Dissidenten nehmen.

Professor Elleinstein wollte zu Beginn des Monats während eines Festes der kommunistischen Jugend von Paris eine Rede halten und seine Thesen vorlegen. Eine Einladung zu dieser Festivität erhielt er allerdings nie. Den Vortrag hielt er schließlich vor einer kleinen Gruppe des extrem linken Lagers, die ihm mehr Gastfreundschaft einräumte als die eigene Partei.

Damit wird neuerlich eine heikle Frage für die KPF in aller Öffentlichkeit ausdiskutiert: Wieweit gelten die Wahlversprechen Georges Marchais' auch für seine eigene Partei? Als wichtigstes Ziel des Märzvotums proklamierte er, daß die KPF größte Freiheit und echte Demokratie für den französischen Wähler sichern wolle. Aber wie sieht es mit diesen beiden Begriffen in der Praxis aus? Das Zentralorgan „L'Humanite“ wird sorgfältig von der Parteileitung gehütet und dieses Blatt ist sicher das wichtigste Massenmedium, das die KPF besitzt. Allerdings ist die Auflage immer mehr zurückgegangen. Gegenwärtig verzeichnet „L'Humanite“ 150.000 Exemplare täglich» Dies ist recht mager, wenn man bedenkt, daß die Partei nach eigenen Aussagen 650.000 Mitglieder zählt. Daneben gibt es auch das Wochenmagazin „L'Humanite Dimanche“ - eine vorzüglich redigierte Wochenzeitschrift mit 400.000 Exemplaren.

Eine selbständige politische Linie weist „L'Humanite“ freilich nicht auf: Bisher ist es praktisch noch nie zu einem Konflikt zwischen der Redaktion und dem Generalsekretariat gekommen. Das politische Büro gibt regelmäßig Anweisungen, was das Blatt zu beinhalten habe und wie es aussehen soll. Die Wichtigkeit, die die KPF ihrem Zentralorgan zumißt, geht schon allein aus der Tatsache hervor, daß die

Nummer zwei der Parteihierarchie, Roland Leroy, als Direktor der Gazette zeichnet. Chefredakteur Rene Andrieu ist daher nur ausführendes Organ und hat niemals eine Anweisung des Politbüros in Frage gestellt oder kritisiert.

Während also „L'Humanite“ noch immer existiert, wurde die Intellektuellen-Zeitschrift „Les Lettres Francai-ses“ sofort eingestellt, als der verherrlichte Dichter der Partei, Louis Aragon, es gewagt hatte, das Eingreifen des Warschauer Paktes in Prag zu verurteilen. Der Dichter hat allerdings keinerlei Konsequenzen aus dem Verbot gezogen und ist ein treues Mitglied der Partei geblieben.

Die KPF verfügt noch über eine Reihe anderer Wochen- und Monatszeitschriften, obwohl das einst gewaltige Zeitungsimperium sich nach dem Krieg aufgefächert hat. Gegenwärtig erhalten die Mitglieder mit einer Pariser und vier Regionalzeitungen genug authentischen kommunistischen Lesestoff. Nach Angaben der Partei dürften zur Zeit 200.000 Exemplare aller Publikationen täglich vertrieben werden. Aber was ist das im Vergleich zu jener „heroischen“ Zeit, als Frankreichs Kommunisten fünf Tageszeitungen edierten, wobei eine in Paris 480.000 Exemplare aufwies. Damals wurde ein tägliches Potential von 960.000 Tages- und Wochenzeitungen verkauft. Nun müssen die Genossen immer wieder zu Subventionen aufgerufen werden, um die verschiedenen Defizite abdecken zu können.

Die KPF verfügt jedoch nicht nur über offizielle Presseorgane. Weitgehend unbekannt ist der französischen Öffentlichkeit die Tatsache, daß die KPF mehrere Verlagsanstalten besitzt, die aber nie als kommunistisch deklariert wurden. Von einem dieser Häuser wird die allgemein angesehene Jugendzeitschrift „PIF- der Hund“ für 8-bis 14jährige mit einer Auflage von etwa 500.000 angeboten, im vergangenen Jahr wurden sogar 800.000 Exemplare angeboten.

Jedenfalls werden die Führungsspitzen der Partei gewarnt sein und eine neue Medienpolitik einleiten müssen, um das Potential ihrer Wähler erreichen und damit einen geistig doktrinären Kontakt mit jenen Bürgern aufnehmen zu können, die in der kommunistischen Partei die beste Kraft für eine soziale Besserstellung sehen.

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