7006827-1987_45_11.jpg
Digital In Arbeit

Im Zeichen des Wassermanns

Werbung
Werbung
Werbung

„Komm, mach mit“, klingt es verlok-kend. Geboten wird ein neues Bewußtsein für Menschen, die neu werden wollen. New Age heißt die Bewegung, die von überallher Zulauf findet, wo nach Alternativen zum unbefriedigenden Materialismus gesucht wird. Eine Herausforderung für die Kirche.

Seit den siebziger Jahren dieses Jahrhunderts hat eine Woge des Okkultismus, der Gnosis und f er n-östlicher Weltanschauungen die westliche Welt überschwemmt. In Verbindung mit der humanistischen Psychologie und modernen, naturwissenschaftlichen Theorien hat diese Welle bei vielen Menschen zu einer Bewußtseinsveränderung geführt. Der Bogen für New Age ist bereitet.

Der Name „New Age“ und alle anderen noch dafür verwendeten Namen wie „Wassermannzeitalter“, „Solarzeitalter“, „ökologisches Zeitalter“, „Aquariuszeital-ter“ sollen die zukünftige Welt charakterisieren, an deren Schwelle wir jetzt stehen. An die von Zukunftsängsten befallene Menschheit unserer Tage ergeht die hoffnungsvolle Botschaft: „Im neuen Zeitalter des Wassermannes soll alles besser werden.“

Die Anhänger des New Age verbreiten die auf astrologischer Basis beruhende und okkulten Traditionen entnommene Vorstellung, das christliche Zeitalter der Fische werde abgelöst vom Zeitalter des Wassermanns (der genaue Zeitpunkt ist bei ihnen selbst umstritten).

Ein gemeinsamer Nenner der vielfältigen Ausformungen des New Age ist: Der Neue Mensch wird sich selbst befreien durch die Uberwindung des individuellen Ichs und durch die Vereinigung mit dem höheren kosmischen Selbst.

„Während die früheren Weltzeitalter wie das vergehende im Zeichen der Fische zu dem wurden, was sie astrologisch darstellen, muß jetzt das Ruder des Bewußtseins in die Hand genommen werden“, weiß die Zeitschrift „Esotera“ (24/1980). Weiters liest man dort: „Das New Age ist die Erkenntnis unserer selbst, zurück zu unserer archaischen Einheit von Seele und Körper, von Mensch und Natur, zurück zu einer Verbindung, die nur noch in den Mythologien einiger sogenannter Primitiver zu finden ist“ (24/1980).

Verschiedene Theorien sind Anhaltspunkte für das New Age. Da ist etwa die von dem Musiker Joachim-Ernst Berendt entworfene Theorie .Alles ist Klang“. Ihr gemäß wäre die letzte und eigentliche Wirklichkeit der Welt nicht von festen Dingen und Körpern gebildet, sondern von Schwingungen, Wellenbewegungen. Körperlichkeit sei eine Illusion.

Ein weiteres Fundament für die theoretischen Grundlagen des New Age ist ein atomphysikalischer Ansatzpunkt. Die Atomphysik beweise es, meint Fridjof Capra, der Autor des Bestsellers „Wendezeit“: „Es gibt nur die Einheit des Seins. Alle Vielheit ist Täuschung oder doch Minderung.“

New Age meint, sich der Wurzeleinheit allen Seins bewußt und so zum Baustein zu werden, zum Wellenschlag im Strom der Einheit des Seins. Es gelte, zur kosmischen Alleinheit zu gelangen, wo alles Existierende, einschließlich des Menschen zu einem globalen Bewußtsein verschmelzen werde. Das Mittel dazu heißt „Bewußtseinserweiterung“.

Wege zu dieser Bewußtseinserweiterung sind unter anderem viele der in den letzten Jahren entstandenen Psychogruppen und Zentren, die Selbsterfah-rungs- und Sensitivitätstraining lehren. Man denke an die sogenannte „Gestalttherapie“, an die „Bioenergetik“ mit ihrer Vorstellung von einer kosmischen Biooder Urenergie, an die Transpersonale Psychologie und viele andere. Im Grunde handelt es sich durchwegs um Selbsterlösungsund Selbstbefreiungsversuche.

Esoterik und Okkultismus spielen eine große Rolle. Alle erdenklichen Theorien, Religionen, Weltanschauungen und Praktiken, die irgendwie der Bewußtseinserweiterung dienen können, werden im New Age neu aufbereitet und angepriesen. Nicht zu vergessen ist auch der dem New Age zugehörige Feminismus. Er hat die göttliche Urmutter wiederentdeckt.

Die größte Esoterikmesse der Welt, die alljährlich in London stattfindet und meist an die 100.000 Besucher anzieht, liefert ein Beispiel dafür, was New Age alles für sich vereinnahmen kann: Anthroposophie, Rosenkreuzer-tum, Theosophie, Suf ismus, Yoga, überhaupt sämtliche östliche Religionen. Der Gedanke der Rein-karnation hat hier seinen festen Platz. Man bediene sich nach Lust und Laune im esoterischen Warenhaus, am reichen Angebot des Büchermarktes!

Im New Age geht man mit anderen Religionen nicht zimperlich um: Es wird behebig zurechtgebogen und verfremdet, bis alles in das eigene Denkmodell hineinpaßt. Vom ursprünglichen Verständnis etwa der östlichen Religionen, der der Indianer oder des

Schamanentums bleibt wenig übrig.

Auf diese Weise werden auch christliche Begriffe wie Mystik und Spiritualität sowie christliche Denker und Mystiker wie Teühard de Chardin, Meister Eckhart und Angelus Silesius selektiv herangezogen.

Im Zeitalter des Wassermanns erachtet man es als hinfällig, gläubig auf Gott und seine gegebene Wahrheit zu hören. Letztere sind ja im Denken der Neuen Religiosität lediglich Täuschung, Illusion und daher überholt.

Jetzt ist die Zeit, sich seiner eigenen Göttlichkeit bewußt zu werden und sich dadurch selber zu befreien und sich bis hin zum Zustand vollkommenen Bewußtseins aufzuschwingen.

Hauptsache ist, man bekommt das Leben und das Sein durch Erkenntnis in den Griff. Welcher religiöser Vorstellungen und Praktiken man sich dabei bedient, ist nebensächlich. Nur der Glaube an einen persönlichen Gott wird abgelehnt, während überraschenderweise archaische, vorchristliche Götter, uralte, magische Praktiken und Hexenglauben durchaus gefragt sind.

Die Bewegung New Age möchte die Erde mit einem globalen Netzwerk überziehen. „Netzwerke büden die Strategie, mit der kleine Gruppen eine ganze Gesellschaft transformieren können“, sagt Marüyn Ferguson in ihrem Buch „Die sanfte Verschwörung“, einem Standardwerk des New Age (siehe Seite 13).

Die „sanften Verschwörer“ sind solidarisch in ihrem Bemühen, durch Einzelinitiativen und Gruppen, deren es hunderte gibt, in allen sozialen und intellektuellen Schichten einen Bewußtseinswandel im Sinne des New Age durchzuführen. Dieses bildet somit eine unüberschaubare, diffuse Bewegung.

Auf Büchern des New Age sieht man häufig einen bunt schillernden Regenbogen. Im Alten Testament ist der Regenbogen ein Symbol des Bundes Jahwes mit den Menschen. Für das New Age ist der Regenbogen das bereits in der Theosophie so verwendete Symbol der Verbindung der Einzelseele zum höheren, kosmischen Selbst und des Kanals für die Übermittlung geistiger Energien.

Es ist unschwer zu erkennen, daß im New Age auch ein Neuaufleben der Gnosis um sich greift. New Age ist schon sehr stark verbreitet und stellt für das Christentum eine Herausforderung dar. In Kreisen von New Age spricht man oft von einer „mystischen Bewußtseinsebene hoch über den Niederungen konfessionellen Gezänks“.

Die Autorin ist Lehrerin.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung