7006843-1987_45_13.jpg
Digital In Arbeit

Selbsterlösung in neuem Gewand

Werbung
Werbung
Werbung

Nicht die Schlechtesten interessieren sich für New Age - im Gegenteil: Viele sind Suchende, die der Oberflächlichkeit und Sinnlosigkeit des modernen Lebens überdrüssig sind. Und es sind wohl auch die Begeisterungsfähigen und jene, die bereit sind, umzudenken, die sich auf das New-Age-Angebot stürzen.

Wenn solche Menschen zu einer neuen Heilslehre abwandern, ist das nicht Alarmstufe 1 für uns Christen? Die offensichtlich attraktive neue Religiosität ist daher Anlaß zur Gewissenserforschung:

New Age ruft uns in Erinnerung, daß der Mensch ganzheitliche Erfahrungen, die auch sein Gefühlsleben betreffen, braucht. Wo wird aber unter uns Christen Freude und Begeisterung spürbar? Bei unseren nüchternen Gottesdiensten, wo das Wort dominiert, kaum. •

Die Sehnsucht nach Meditation: als ganzer Mensch mit Leib, Seele und Geist zur Stille kommen. Das gibt es nicht nur in Ostasien! New Age stößt uns darauf, den vergrabenen Schatz christlicher Mystik wiederzuentdecken — und zu pflegen!

„Tu das, was du für richtig hältst!“, rät Marilyn Ferguson (siehe „Die sanfte Verschwörung“) den Jüngern des neuen Zeitalters. Wie richtig! Wo aber sind die Christen, die „zuerst das Reich Gottes suchen“ und sich unbeirrt an der Hand Gottes aufmachen, in einer trostlosen Welt Wege der Hoffnung zu gehen?

Und wie steht es mit dem Glauben daran, daß unser Gebet im Kämmerlein die Welt aus den Angeln heben kann, wie Schiwy dies in seinem dritten Gebot andeutet? Falsch begründet ist seine Aufforderung, uns für die ganze Schöpfung mitverantwortlich zu fühlen, aber sie ist für Christen bedeutsam. Wir huldigen hingegen der Irrlehre vom Privatmenschen und belächeln alte Weiblein, die in Andachten für die notleidende Welt beten.

Und wie viele Christen schämen sich für die angeblich von der Evolutionstheorie längst überholte Schöpfungsgeschichte? Gerade sie ist aber das Bollwerk gegen die totale Ausbeutung der Welt, die unsere Zeit als verfügbares Zufallsprodukt mißdeutet.

Hat New Age somit etwa eine klarere Sicht auf die Wahrheit als die Kirche? Vordergründig mag es so scheinen. Jedenfalls wird der heutige Mensch dort abgeholt, wo er steht: bei seiner Sehnsucht nach Frieden, nach Einheit, nach Natur, nach Sinn, nach Erfahrung von Transzendenz. Weil all das heute zu kurz kommt, hat die neue Religiosität Erfolg.

Ist New Age somit die zeitgemäße Fortentwicklung der christlichen Botschaft, wie Schiwy (Seite 12) andeutete? Keineswegs. Wie bei den anderen Religionen, sucht New Age auch in der Botschaft Christi nach dem, was ins eigene Konzept paßt, und deutet es nach Bedarf um:

Naturliebe als oberstes Gebot klingt gut. Genaugenommen wird damit aber alles auf den Kopf gestellt, was Christen glauben. Liebe ist ein Geschehen zwischen Personen, die zueinander vorbehaltlos ja sagen. Daher können wir Gott, der in Christus Mensch -und nicht Kosmos — geworden ist, heben. Wir können uns diesem Gott anvertrauen, weil er sich als vertrauenswürdig erweist.

Für die Natur hingegen sollen wir sehr wohl sorgen. Wir sollen sie auch pflegen und in den Geschöpfen Gottes Größe rühmen, wie Franz von Assisi dies getan hat. Aber die Natur zum höchsten Objekt der Liebe zu machen, ist schlichtweg Aufruf zum Götzendienst. Die zentrale Irrlehre des New Age tritt da zutage: Gott wird nicht als Person gesehen, vielmehr als Wesensgrund der Schöpfung mißverstanden.

Daraus folgen die übrigen falschen Ansätze: Das Geschehen in der Welt wird zur prozeßhaft ablaufenden Evolution, ist nicht Geschichte Gottes mit den Menschen. Daher auch die falsche Stoßrichtung von Schiwys zweitem Gebot: Nicht etwa, gehe auf Gott und den Nächsten zu, sondern laß eine Energie in Dir wirken. Daher ist auch persönliche Umkehr zum lebendigen Gott nicht entscheidend. Vielmehr gilt es, mit geeigneten Techniken das „Göttliche“ in sich selbst zu entfalten. SelbstverwirkHchung heißt der Appell. Es wurzelt im Konzept der Selbsterlösung.

Insofern ist Schiwys Aufruf zum „unbegrenzten Selbst-Bewußtsein“ einfach irreführend. Wohl sollen wir uns für das Wirken des Heiligen Geistes in uns öffnen. Das ist aber kein Freibrief für irgendwelche Öffnung zur Transzendenz, in der auch böse Geister wirken, sondern Hingabe an den Geist Jesu.

Wohl spricht auch das New Age vom Jesus-Geist, räumt aber Jesus selbst keineswegs die alles überragende Stellung ein, die ihm gebührt. Die Neue Religiosität weiß nichts davon, daß im Mensch gewordenen Gott die neue Schöpfung schon begonnen hat, daß uns alles Wesentliche schon geoffenbart ist und daß wir nicht auf ein neues Bewußtsein warten müssen, sondern in der Taufe neues Leben geschenkt bekommen.

Und damit sind wir am Kern der Bedrohlichkeit des New Age angelangt. Es wirft die richtigen Fragen auf und bietet plausible Methoden zu ihrer Lösung an. Diese Methoden sind an sich nicht schlecht. Ein Christ, der Yoga gezielt nur als Übung für seinen Körper einsetzt, kann damit positive Erfahrungen machen.

Gefährlich wird die Sache, wenn man die Methoden als Vehikel zur Erlangung eines neuen Bewußtseins verwendet. Dann begibt man sich auf den Selbsterlösungstrip, der scheitern muß. Denn Friede und Heil sind nicht das Ergebnis eigener Anstrengung, sondern des Heilswirkens Gottes, der in Jesus die Welt überwunden hat.

Genaugenommen ist New Age die Fortsetzung des Konzepts der Selbsterlösung, das in seiner technisch-naturwissenschaftlichen Version heute vor unseren Augen scheitert, nur mit anderen — viel gefährlicheren — Mitteln.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung