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Alternative im Zwielicht

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Unüberblickbar ist die Zahl der Alternativbewegungen. Aus den USA kommend, macht eine neue, „New Age“, nunmehr auch in Europa von sich reden. Worum geht es dieser Gruppierung?

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Unüberblickbar ist die Zahl der Alternativbewegungen. Aus den USA kommend, macht eine neue, „New Age“, nunmehr auch in Europa von sich reden. Worum geht es dieser Gruppierung?

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„Wo Leben wieder menschlich wird - an der Schwelle des New Age“ lautet der Titel eines bei Herder erschienenen Buches (Band 1207) von Susanne Schaup. Das klingt vielversprechend, kein Zweifel. Es spricht an, wovon heute viele träumen: den Aufbruch in eine neue, bessere Welt, in der jeder in Frieden und Freiheit leben kann. Wie viele sind doch auf der Suche nach einem Ausweg aus der mannigfaltigen Krise, in die unsere Welt geraten ist!

Das Rezept, das die „Newagers“ anbieten, klingt relativ einfach und ist für alle Menschen gedacht. Als oberstes Ziel nennen sie die Schaffung einer neuen Weltordnung. Ihre Fundamente sollen Friede und Freiheit sein, verwirklicht mit Hilfe eines ganzen Netzes von kooperierenden Organisationen, die über die ganze Welt verstreut sind.

In den USA selbst (mit dem Zentrum Midwest City) werden gewaltige propagandistische Anstrengungen unternommen — Herausgabe eines eigenen Magazins, ganzseitige Inserate in den Printmedien u. dgl. —, um das „neue Denken“ auf breitester Basis zu propagieren. Dadurch soll letzten Endes ein allgemeines Umdenken herbeigeführt werden, eine Bewußtseinsänderung sowohl im Politischen als auch im Religiösen.

Die neue Denkrichtung wird durch bestimmte Termini markiert, wie „psychologische Astrologie“ (sie will aufzeigen, daß der Mensch nicht ohnmächtig seinem Schicksal ausgeliefert sein muß), „natürliches Leben“, „neue Spiritualität“ und vor allem „Holismus“, ein Begriff, dem geradezu eine Schlüsselfunktion als .Problemloser“ zukommt.

Unter Holismus versteht man den Versuch, alle Erscheinungen aus einem ganzheitlichen Prinzip abzuleiten und womöglich auf einen Nenner zu bringen.

Wer das holistische Prinzip im privaten Bereich befolgt, kann mit maximaler „Selbstverwirklichung“ und einem gesteigerten Lebensgefühl rechnen. Durch die Ausschöpfung und Mobilisierung seines inneren Kräftepotentials

(„discöver your inner power“) gewinnt man innere Sicherheit und physische Stärkung.

Ja man lernt sogar die Fähigkeit der Selbstheilung („awaken hea-ling energy“), wenn man sich auf Meditationstechniken östlicher Herkunft einläßt und astrale Kräfte beschwört. Spätestens hier wird deutlich, daß diese Art von Selbstverwirklichung in das Okkulte abgleitet.

Ähnliches gilt vom gesellschaftlichen Bereich, für den eine Art neue Heilslehre präsentiert wurde, die ein Sammelsurium von Utopie, Synkretismus und Mes-sianismus darstellt. Getreu dem holistischen Grundsatz „Einheit in der Vielfalt“ betont man einerseits die Einheit aller Religionen und glaubt anderseits an den „neuen Messias aller Religionen“, der als Weltführer und Welterlöser zugleich für alle Konfessionen und politischen Richtungen akzeptabel sei.

Vor diesem Hintergrund ist z. B. eine Großinserat zu verstehen, das vor einiger Zeit in „Newsweek“, „Time“ und „U. S. News and World Report“ erschien: Ein hinduistischer Guru forderte darin die Regierungen der Welt allen Ernstes auf, gemeinsam mit der „Weltregierung unseres neuen, aufgeklärten Zeitalters“ — „New Age“ — alle Probleme, ungeachtet ihrer Art und ungeachtet des jeweiligen politischen Systems, zu lösen.

Auch rein organisatorisch demonstriert die Bewegung Weltoffenheit, indem sie sich nicht als einheitliche Organisation deklariert, sondern als „Network“, in das sehr weitgestreute Aktivitäten der verschiedensten Aktionsgruppen einbezogen werden können. So etwa gibt es nun auch in Österreich Naturkostläden, die mit „New Age“ zusammenarbeiten und in ihren Prospekten unauffällig dafür werben.

Als äußeres Markenzeichen der „Zeitenwende“ — wie „New Age“ gerne auf deutsch wiedergegeben wird — fungiert der Regenbogen, der überall zu finden ist: als Klebeetikett auf Autos, in Geschäften, Inseraten etc. Constance Cumbey bezeichnet ihn in ihrem Buch „The hidden dangers of the rainbow“ als antichristliches Symbol, was jedem Christen zu denken geben sollte.

Was läßt sich dazu aus christlicher Sicht sagen? New Age macht zwar den Versuch, an einer besseren Zukunft zu bauen. Aber unterscheidet es sich dabei im Kern von bisherigen Ansätzen? Nicht übersehen werden darf, daß auch bei New Age nicht Jesus Christus im Zentrum steht, sondern der „autonome“ Mensch mit seiner Selbstherrlichkeit. Auf lange Sicht wird damit ein Weg beschritten, der — weil er am wahren Erlöser vorbeigeht — letzten Endes in die Irre führen wird.

Der Autor ist Universitätslektor

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