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Sekten: Gefahr, Chance, Herausforderung
Die Sektenfrage ist so gravierend und vielschichtig, daß sie schon 1986 in einem Dokument des Vatikans als „pastorale Herausforderung" bezeichnet wurde. Lateinamerika wird von fundamentalistischen Gruppen überschwemmt. In Afrika existieren mehr als 10.000 Kulte und Sonderkirchen. Und in jüngster Zeit ist die Sowjetunion ein bevorzugtes Gebiet für den Bekehrungseifer der Sekten.
Heuer im März stellte der Päpstliche Rat für den Dialog mit den Nichtglaubenden fest, daß die vom Marxismus hinterlassene Leere von der Religiosität des „New Age", von Neuheidentum und Irrationalismus erfüllt sei, welche bis ins spirituelle Leben der Gläubigen hineinwirken. Papst Johannes Paul II. hat darüber im April bei der Versammlung der Kardinäle voll Besorgnis gesprochen. Die Vielfalt der Gruppen, der Inhalt ihrer Reden, das Echo, das sie finden - all das zeigt, daß „etwas passiert", nämlich ein Vorgang des Zerfalls und des neuen Sammeins im religiösen Bereich.
Eines ist sicher - alle Formen dieser „neuen Religiosität" erfordern gründliche theologische Antworten. Es-sollte dabei um folgendes gehen:
- wie in der Fülle dieser Manifestationen eine Unterscheidung der Geister erfolgen kann,
- wie ausdrücklich Jesus Christus und seine Botschaft verkündigt werden können,
- ob und wie ein interreligiöser Dialog mit manchen dieser neuen Bewegungen und mit Institutionen, die sich wissenschaftlich mit Religion befassen, geführt werden kann,
- wo Neuevangelisierung bei einigen Aspekten dieser „religiösen Rückkehr" anknüpfen kann und wo nicht.
Wie sieht ein Überblick der „neuen Religiosität" aus? Sehr vielfältig. Einige Organisationen sind philanthropisch, kulturell oder therapeutisch ausgerichtet. Aber viele rekrutieren mit sehr direkter Anwerbung Mitglieder, das reicht von biblisch-fundamentalistischen Gruppen bis zu Bewegungen, die sich auf Außerirdisches oder auf „Privatoffenbarungen" beziehen.
Diverse Meditationsgruppen, die Schulen der östlichen Spiritualität, neue Therapieformen, Bewegungen zur „Entwicklung des menschlichen Potentials", ökologisch aktive Gruppen - all das zählt man heute verallgemeinernd zum gesellschaftlichen Phänomen „New Age".
Die Sekten enthüllen heute ein sehr wichtiges Problem der Gemeinschaft: Die „neue Religiosität" ist eine Mikrokultur, welche die Suche nach dem Kömchen Wahrheit in der Unwahrheit, nach dem, was wunderbar, und dem, was unannehmbar ist, nahelegt. Die Sekten sind heute als Gefahr, Herausforderung und Chance für die Kirche anzusehen. Angesichts des Phänomens „neue Religiosität" ist sie besonders gefordert, sich ihrer pastoralen Verantwortung bewußt zu sein.
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