Dieser FURCHE-Text wurde automatisiert gescannt und aufbereitet. Der Inhalt ist von uns digital noch nicht redigiert. Verzeihen Sie etwaige Fehler - wir arbeiten daran.
Von den „Zeugen Jehovas“ bis zur „Christian Science“
Sekten, Seher und Betrüger. Nr. 2 der Schriftenreihe des Volksboten, Von Josef Casper. Tyrolia, Innsbruck 1953. 102 Seiten. Preis 8 S
Sekten, Seher und Betrüger. Nr. 2 der Schriftenreihe des Volksboten, Von Josef Casper. Tyrolia, Innsbruck 1953. 102 Seiten. Preis 8 S
Nach einem lehrreichen Ueberblick über die Entwicklung der religiösen Verhältnisse in unseren Ländern klärt der Verfasser erst eine Anzahl der einschlägigen Begriffe, wie Kirche, Sekte, Häresie, Konfession, und stellt kurz den Unterschied zwischen Kirche und ihren Gegenspielern heraus. Im Hauptteil führt er dann die einzelnen Sekten vor, die endzeitlich-adventistischen wie die Adventisten, Zeugen Jehovas, Mormonen und Apostolischen Gemeinden; die karitativ-sozialen Sekten wie die Quäker und die Heilsarmee; ferner die „Christian cience“ und die in Oesterreich bodenständigen Gralsritter vom Vomperberg; ein Kapitel ist den Theosophen und Anthroposophen gewidmet, kurz wird auch Spiritismus und Astrologie gestreift. Meist wird zuerst die Gestalt des Gründers vorgeführt, dann der Ursprung geschildert, die wichtigsten unterscheidenden Lehren, Ausbreitung, Erfolge und Rückschläge. Die einzelnen Sekten zeigen eine bunte Mannigfaltigkeit, die einen werben eifrigst mündlich und durch Drucksachen um neue Mitglieder, andere wirken mehr durch ihr Beispiel, wie die Quäker; die einen geben vor, sich genau an die Bibel zu halten, andere sind von ihr und von Christus weit abgerückt, oft werden einzelne Gedanken einseitig herausgehoben, überspitzt und willkürlich ausgelegt und für die eigenen Zwecke ausgebeutet.
Der Verfasser ist bemüht, seine Ausführungen möglichst objektiv zu halten und wissenschaftlich zu begründen, wobei er sich öfter auf das bekannte, solide Buch von Karrer beruft. Anerkennenswert ist der im allgemeinen versöhnliche und vornehme Ton des Verfassers; wenn ihm manchmal ein etwas härterer Ausdruck in die Feder geflossen ist, so ist das bei den Verleumdungen, Uebertreibungen und Entstellungen, mit denen manche Sekten oft arbeiten, verständlich. Ebenso ist er bestrebt, den Sekten gerecht zu werden und erkennt auch den guten Willen bei vielen an. Eine solche Einstellung entspricht mehr der christlichen Liebe und ist gewiß mehr am Platze als Geringschätzung und Verachtung oder gar Beschimpfung und Schmähung, wie man sie leider bei manchen selbstgefällig und sorglos dahinlebenden Christen findet. Wer persönlich mit ihnen zu tun gehabt hat, weiß, daß es unter ihnen viele gute; edle, tief religiöse Menschen gibt, die fest überzeugt sind, die Wahrheit zu besitzen. „Manche sind nach verschiedenen Fährnissen des Lebens Sektenglieder geworden. Sie empfinden die Begegnung mit der Sekte als Gnade, der sie mit ernster Bekehrung antworteten“ (S. 95). Vorher waren sie vielleicht wenig religiös; aus Voreingenommenheit oder Unwissenheit, aus Verhetzung oder wegen eines unguten Erlebnisses mit einem Geistlichen oder Christen hatten sie sich von der Kirche ferngehalten. Den Sektenagenten gelang “es, ihren religiösen Sinn auszunützen und sie haben sie Gott wirklich näher gebracht, während die Kirche nicht den Weg zu ihnen gefunden hatte. „Nun begann die ernste radikale Bekehrung, der Glaube und das Vertrauen. Trinker ließen ihre üble Gewohnheit, Ehebrecher kehrten zurück, kurz, freiwillig entschlossen sich viele der Bekehrten zu einem Leben der Nachfolge Christi.“ Diese Bckehrten fühlen sich dann oft sehr glücklich in dem Gedanken, von Gott in besonderer Weise ausgewählt zu sein zu seinem Dienste, und leisten eifrig und unter großen Opfern Reich-Gottesarbeit.
Wir müssen dem Verlag Tyrolia dankbar sein für die Herausgabe dieses Buches, da wir augenblicklich bei uns wenig Literatur über dieses immer wichtiger werdende Gebiet besitzen. Der leider vor zwei Jahren vorzeitig verstorbene Verfasser hat seine letzten Kräfte diesem Werke gewidmet, konnte das Buch aber selber nicht mehr herausgeben, wohl auch nicht mehr die letzte Feile anlegen. Er würde sonst wohl manches noch ergänzt, mehr abgerundet und sicher auch noch erweitert haben. Eine hoffentlich bald notwendig werdende Neuauflage wird das wohl nachholen. Das Kapitel über Theosophie und Anthroposophie müßte wohl genauer gefaßt werden, wenn man es nicht vorzieht, diese Gebiete in einer eigenen Schrift zu behandeln. Weiter sollte noch ein eigenes, möglichst praktisch gehaltenes Kapitel eingefügt werden, wie sich der Katholik gegenüber den oft recht aufdringlicher. Besuchen der Sektenagenten verhalten soll.
Wichtiger noch als eine sehr ausführliche Darstellung der Sektenlehren wäre wohl ein Kapitel mit einer klaren Darlegung der katholischen Glaubenswahrheiten über einige diesbezügliche Fragen: die Bibel, ihre Bedeutung auch für den katholischen Glauben, über ihr richtiges Verständnis, die Notwendigkeit von Anmerkungen zu schwierigen Stellen; weiter wäre wünschenswert eine genaue Darlegung der Lehre von den letzten Dingen, über Christus und einige andere oft angefochtene Glaubenswahrheiten.
Die Sekten entfalten gerade in der letzten Zeit wieder eine sehr rege Tätigkeit. „Und die Geistlichen und auch viele katholische Laienführer haben oft keine Ahnung, was in ihrer nächsten L“mgebung vor sich geht“ (S. 97). Möge das Buch die Aufmerksamkeit recht vieler Leser finden.
Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.
In Kürze startet hier der FURCHE-Navigator.
Steigen Sie ein in die Diskurse der Vergangenheit und entdecken Sie das Wesentliche für die Gegenwart. Zu jedem Artikel finden Sie weitere Beiträge, die den Blickwinkel inhaltlich erweitern und historisch vertiefen. Dafür digitalisieren wir die FURCHE zurück bis zum Gründungsjahr 1945 - wir beginnen mit dem gesamten Content der letzten 20 Jahre Entdecken Sie hier in Kürze Texte von FURCHE-Autorinnen und -Autoren wie Friedrich Heer, Thomas Bernhard, Hilde Spiel, Kardinal König, Hubert Feichtlbauer, Elfriede Jelinek oder Josef Hader!