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„Kein Flaschenhals“

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Die Anregungen von Willy Lorenz für eine kleine „Parlamentsreform“ gehen von der Überlegung aus, daß in unserm Verfassungsgefüge dem Parlament eine besondere Stellung zukommt, da es — neben dem Bundespräsidenten — das zweite Bundesorgan ist, das vom Volk direkt

Photo: Votava gewählt wird und daher auch das Volk als Souverän unmittelbar repräsentiert. Ich stimme mit Willy Lorenz überein, daß diese Stellung des Parlaments auch ihren äußeren Ausdruck finden soll.

Die beiden Vorschläge für eine kleine „Parlamentsreform“ halte ich jedoch in der vorliegenden Form nicht für zielführend.

Die Aufstellung des Rednerpults, von dem die Abgeordneten so sprechen, daß sie den Regierungsmitgliedern den Rücken zuwenden, ist nicht glücklich. Dennoch wird es nicht möglich sein, gänzlich auf ein Rednerpult für Abgeordnete zu verzichten. Für längere Reden, bei denen der Redner aus Dokumenten und Unterlagen zitiert — und überhaupt für umfangreichere Reden und für Stellungnahmen von besonderem politischen Gewicht —, wird ohne Pult nicht das Auslangen gefunden werden. Man könnte aber überlegen, ob es dem Abgeordneten nicht freigestellt werden sollte, ob er vom Platz oder vom Rednerpult sprechen will. Ebenso könnte geprüft werden, ob sich nicht eine andere Anordnung von Regierungsbank und Rednerpult finden ließe. Im Sitzungssaal des Bundesrates ist das ja auch gemacht worden. Der Redner spricht — so wie der Berichterstatter — von einem Platz hinter der Regierungsbank. Für gelungen halte ich allerdings auch diese Anordnung nicht.

Einer wechselnden Anordnung der Plätze von Regierungs- und Oppositionspartei links und „links“ möchte ich nicht das Wort reden. Sie widerspricht zu sehr der ganzen parlamentarischen Tradition auf dem Kontinent und auch in Österreich.

Übrigens: was soll man machen, wenn es keine Einparteienregierung, sondern eine Koalitionsregierung gibt?

Ich möchte die Gelegenheit benützen, um einen anderen Vorschlag für eine kleine „Parlamentsreform“ zu machen, der ebenfalls dem Primat der Stellung des Parlaments Rechnung tragen, aber gleichzeitig die Zusammenarbeit zwischen Parlament und Regierung fördern würde. In der Praxis könnte mancher „Flaschenhals“ bei der Beratung und Erledigung von Regierungsvorlagen in den Ausschüssen vermieden werden, wenn fixe „Ausschußtage“ eingeführt und eingehalten würden. Im schwedischen Reichstag ist es so, daß während der Parlamentssessionen der Justizausschuß jeden Dienstag ohne Zeitlimit —, im Bedarfsfall auch Donnerstag, zusammentritt. Nach der Geschäftsordnung ist der Ausschuß verpflichtet, jede Regierungsvorlage in jener Session, in der sie eingebracht wird, in Beratung zu ziehen und die Beratungen auch innerhalb der Session abzuschließen.

Ich möchte mit Nachdruck für eine solche kleine „Parlamentsreform“ eintreten, die der Arbeit der Ausschüsse des österreichischen Nationalrates, denen eine so große Bedeutung zukommt, eine tragfähige Grundlage geben würde. Diese Reform würde der überragenden Stellung des Parlaments im Verfassungsgefüge in einem sehr wichtigen Bereich Rechnung tragen, weil sie einen Beitrag zur Stärkung der parlamentarischen „Terminhoheit“ und der Stellung des Parlaments als Gesetzgeber leisten würde.

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