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Synode der Superlative

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Die Synode der Superlative ist zu Ende. Fast sechs Jahre nach dem ersten Anstoß, gute fünf Jahre nach der offiziellen Proklamation, ist „die größte diözesane Synodalversammlung, die je getagt hat“, wieder nach Hause gegangen. 340 Synodalen und mehr als 400 Sachverständige können sich wieder, ohne auf die Termine von 15 Kommissionen und 54 Arbeitskreisen Rücksicht nehmen zu müssen, ihren Berufen widmen. Aus

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Die Synode der Superlative ist zu Ende. Fast sechs Jahre nach dem ersten Anstoß, gute fünf Jahre nach der offiziellen Proklamation, ist „die größte diözesane Synodalversammlung, die je getagt hat“, wieder nach Hause gegangen. 340 Synodalen und mehr als 400 Sachverständige können sich wieder, ohne auf die Termine von 15 Kommissionen und 54 Arbeitskreisen Rücksicht nehmen zu müssen, ihren Berufen widmen. Aus

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900.0 Haushalten der Erzdiözese Wien tvaren mehr als

110.0 Fragebogen ausgefüllt zurückgekommen, als der Kardinal zum Start die Meinung der Gläubigen testen ließ. Mehr als

220.0 Katholiken stimmten mit, als die ersten Pfarrvertreter gewählt wurden. Gegen 100.000 Menschen nahmen an den vorbereitenden Konferenzen des Winters 1967/68 teil. Weit mehr als 1000 Beschlüsse — Leitsätze, Resolutionen, Empfehlungen, Aufträge, Appelle und Voten — wurden vom Plenum in drei Sessionen und 16 Sitzungstagen erledigt. Über das verbrauchte Papier schweigt die Statistik.

Was aber war über Statistik, Zahlen und Superlative hinaus das bleibende Ergebnis dieser Versammlung, die bemüht war, die Ergebnisse des Konzils für den Bereich der Erzdiözese Wien zu verwirklichen? Was ist heute, zweieinhalb Jahre nach der ersten Session, schon greifbar? In welcher Richtung muß nun die weitere Arbeit zur Verwirklichung gehen?

Die Synode war wohl zuerst ein gigantischer Lernprozeß für alle Beteiligten. Wenn Beobachter vermerkten, daß die Schlußsession farblos wirkte gegenüber dem Elan, der Begeisterung, der brisanten Diskussion der ersten, dann lag es zweifellos nicht nur an der Erschöpfung der Teilnehmer und der frühsommerlichen Hitze. Gerade die erste Session mit ihrem unverbrauchten -Temperament hatte gezeigt, daß im Plenum wohl harte Diskussionen ge führt, aber nie Entscheidungen über notwendige Maßnahmen gefällt werden können. Man nahm die Erfahrungen. der Parlamentarier zur Kenntnis, verlegte die Grundsatzentscheidungen in die Ausschüsse und überließ dem Plenum die Zustimmung, die natürlich dann an Farbe verlieren mußte. Diese Schule demokratischer Willensbildung wird für alle Beteiligten auch außerhalb dieses Gremiums von großem Wert bleiben.

Generalsekretär Fellner hob in seiner Bilanz vor der Presse vor allem zwei Punkte hervor: die Einleitung des Demokratisierungsprozesses in der Kirchenorganisation und die Anerkennung der Kategorialseelsorge. Der Diözesanrat als oberstes Beratungsgremium hat seine Tätigkeit aufgenommen, die unteren Ebenen — Vikariate und’Gemeinden — werden folgen. Daß dieser Vorjang, der mit dem Recht der Mit- iprache und Mitentscheidung den i,aien aber auch die Pflicht zur Mitverantwortung bringt, nicht von leute auf morgen, wohl auch nicht in wenigen Jahren und sicherlich nie reibungslos ablaufen kann, dürfte wohl selbstverständlich sein. Es geht ja nicht darum, alten Pfarrern, die ein Leben lang unumschränkt „geherrscht“ haben nun plötzlich unerwünschte Aufpasser zur Seite zu stellen. Grundvoraussetzung jeder Mitsprache ist doch die Fähigkeit, auch diese Mitverantwortung tragen zu können — das bedeutet, in vielen, sehr vielen Gläubigen das Bewußtsein von der Notwendigkeit der Mitarbeit zu wecken und ihnen in besonderer Schulung auch die Grundlagen dazu zu vermitteln.

Die -vielen Kommission«!, die in den Empfehlungen zur weiteren Verarbeitung der einzelnen Themenkreise vorgeschlagen wurden, sollen nun dafür sorgen, daß die Glut dieses Feuers weiterglüht. Sie werden zu beachten haben, daß die meisten der dort angeschnittenen Themen sich nicht auf eine Diözese beschränken lassen und daß nun folgerichtig nach den Parallelversammlungen in den anderen Diözesen die Zusammenfassung, die Koordinierung für den Gesamtstaat erfolgen muß. Kardinal König wollte schon 1965 dieses Ziel anpeilen, es gelang damals noch nicht. Es bleibt weiter auf der Tagesordnung.

Es muß schon deswegen auf der Tagesordnung bleiben, weil sich naturgemäß viele der erhobenen Forderungen an den Gesetzgeber richten und diesem nur ein für ganz Österreich gültiges Forderungsprogramm vorgelegt werden kann. Etwa die Frage des Verzichts auf die (feierliche) Ziviltrauung, wenn dem kirchlichen Trauakt die Notiflzierungs- funktion für den Standesbeamten zuerkannt werden könnte. Diese Frage, die wesentlich gemildert aus dem Forderungskatalog der fünfziger Jahre wieder ‘aufgegriffen wurde, scheint im Kirchenvolk noch mehr Bedeutung zu genießen als in der Öffentlichkeit. Unter den Journalisten war für sie wenig Verständnis zu bemerken.

Wichtiger scheint die Schulthematik, die in der letzten Session unter dem Motto „Die Verantwortung des Christen für die Kultur“ angeschnitten worden war. Wohl ist hier schon im ersten Grundsatz die dringliche Aufgabe der Kirche, an Bildung und Erziehung mitzuwirken, hervorgehoben, wohl wird das katholische Schulwesen als „wertvolle Form der Präsenz der Kirche in der Welt“ bezeichnet, eine Diözesankommission „Bildung und Erziehung“ und eine „Arbeitsgemeinschaft der Schulerhalter“ vorgeschlagen, eine zentrale Planung gefordert. Die großen Aufgaben aber, die aus der anlaufenden Schulreform auch und gerade an die Privatschulen herankommen, sind nirgends auch nur angedeutet. Die Bemerkung, daß die Gesetzesnovellierungen, die die Grundlagen für die Schulversuche bilden sollen, erst jetzt ins Parlament gekommen sind und daher nach wie vor die Schulgesetze 1962 gelten, kann nicht befriedigen. In welche Richtung die Schulreform läuft, ist seit wenigstens zwei Jahren abzusehen. Wenn sich schon die Synode damit nicht befaßt hat, werden es um so gründlicher die Nachfolgegremien tun müssen.

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