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Keine sozialistische EWG

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Die Treffen führender westeuropäischer Sozialdemokraten auf dem schwedischen Staatsgut Harpsund, idyllisch zwischen Seen und Wäldern der Provinz Södermansland gelegen, sind bereits unter Tage Erlander Tradition geworden. Olof Palme hat sich bemüht, sie am Leben zu erhalten, doch der frühere, weltoffene und leichte Unterhaltungston, der sie einmal ausgezeichnet hat, scheint abhanden gekommen zu sein. Weit seltener als früher stellen sich nun die Politiker eindringlichen Fragen der Presseleute, und die Pressekonferenzen — soweit es überhaupt dazu kam — zeichneten sich schon in den letzten Jahren durch eine auffallende Dürftigkeit aus.

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Die Treffen führender westeuropäischer Sozialdemokraten auf dem schwedischen Staatsgut Harpsund, idyllisch zwischen Seen und Wäldern der Provinz Södermansland gelegen, sind bereits unter Tage Erlander Tradition geworden. Olof Palme hat sich bemüht, sie am Leben zu erhalten, doch der frühere, weltoffene und leichte Unterhaltungston, der sie einmal ausgezeichnet hat, scheint abhanden gekommen zu sein. Weit seltener als früher stellen sich nun die Politiker eindringlichen Fragen der Presseleute, und die Pressekonferenzen — soweit es überhaupt dazu kam — zeichneten sich schon in den letzten Jahren durch eine auffallende Dürftigkeit aus.

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Auf der Harpsundkonferenz der letzten Monatswende dominierten, nach allem zu urteilen, die bitteren Gegensätze in der Europamarkt- frage, die innerhalb mehrerer sozialdemokratischer Parteien sichtbar geworden sind. Uber die Schwierigkeiten Wilsons mit den EWG-Freun- den in seiner Partei ist genügend geschrieben worden, mit Schwierigkeiten derselben Art haben seine Parteifreunde Krag und Nielsen in Kopenhagen und Trygve Bratteli in Oslo zu kämpfen. In beiden Fällen führte das zu heftigen Angriffen auf die schwedische Sozialdemokrat! e,

der man vorwirft, daß sie die Schwierigkeiten der Partedvonstände in den Nachbarländern durch die eigene distanzierte Haltung zur EWG vergrößere.

Der Ton zwischen den Parteiführern ist so kühl geworden, daß die Nachmittagszeitung der schwedischen Gewerkschaften, „Aftonbla- det“, in ihrem an die ausländischen Gäste gerichteten Begrüßrungsartikel die Dänen unverblümt aufforderte, „mit ihren immer aggressiver werdenden Angriffen auf die schwedische Sozialdemokratie ein für allemal aufzuhören“ und sich „andere

Sündenböcke für ihre mißglückte EWG-Politik“ zu suchen.

Die Schweden, die Finnen und offenbar auch viele Briten glauben nicht daran, daß man durch einen Beitritt zur EWG eine „sozialistische Europäische Wirtschaftsgemeinschaft“ schaffen kann, von der in dänischen Erklärungen offen ge sprochen wird. In Stockholm bezeichnet main Vor Stellungen dieser Art als „weltfremde, unrealisierbare Träume“. Und man zitiert mit offenbarem Vergnügen alle jene Stimmen im Lager der Bruderparteien, die der Parteiführung auf den Weg nach Brüssel nicht folgen wollen. Die Konferenz von Harpsond hat an diesen Gegensätzen kaum etwas geändert.

Schwedens Regierungschef Palme hatte sich zeitgerecht zu der Konferenz ein neues Boot angeschafft, in dem traditionsgemäß die prominentesten Gäste ihre Ruderkünste erprobten. Es dürfte eine der wenigen Gelegenheiten gewesen sein, daß diesmal auf Harpsund im gleichen Takt gerudert wurde. Nach dem einstimmigen Urteil der „ständigen Harpsundbesucher“ kamen die Parteiführer an die im Vorjahr von

Bundespräsident Heinemann demonstrierte „ausgeglichene Technik“ nicht heran.

Im Gegensaitz zu der bunt zusammengewürfelten J oumalistengruppe aus allen nordischen Ländern, Deutschland, England, Amerika, der Sowjetunion und sogar aus China, sprachen die eigentlichen Teilnehmer der Harpsundkonferenz alle Schwedisch. Willy Brandt und Herbert Wefaner lebten längere Zeit im Schweden, Bruno Kreisky ist mit einer Schwedin verheiratet, alle drei haben auch Sommerhäuser in Schweden oder Norwegen.

Harold Wilson war nicht gekommen, was das Kommunikations- problem vereinfachte; dm anderen Fall hätte man Englisch als Konferenzsprache wählen müssen, was den Finnen nicht besonders liegt. Für Trygve Bratteli aus Oslo und seinen Außenminister Anders Cappalanund für die Dänen Krag und Haekkerup bedeutet die Umgangssprache kein Problem.

Soweit nach Konferenzschluß verlautete, soll auch die Frage einer Europäischen Sicherheitskonferenz einen breiten Raum in den Dikius- sionen eingenommen haben. Zu praktischen Beschlüssen ist es hier jedoch nicht gekommen. Vor allem die Regierung der Bundesrepublik muß ja in diesem Fall in einem so starken Ausmaß auf die Meinung ihrer westlichen Alliierten Rücksicht nehmen, daß ihr die Bewegungsfreiheit etwa der schwedischen oder dänischen Sozialdemokraten als ein beneidenswerter Zustand erscheinen muß.

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