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Kleine Dosen

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Während die Pdlitiker noch selbstgefällig von den hohen Beschäftigungsraten in Österreich sprechen, schrillen bereits die Alarmsignale. Die bisher deutlichsten sind aus der Steiermark zu hören, wo in der Fahnradindustrie an die 1500 Menschen entweder schon arbeitslos wurden oder jeden Tag mit ihrer Kündigung rechnen müssen. Denn ob mit „Seelenmassagen“, wie sie Finanzminister Androsch dieser Tage der Steyr-Konzem-Spitze verabreicht hat, auf die Dauer Beschäf- tigungspolitik betrieben werden kann, ist mehr als zweifelhaft. Sehr richtig sagte der geschäftsführende Metallarbeiterobmann Sekanina, es sei schlecht, jetzt Dinge zuzu decken, auf die Gefahr hin, daß in ein paar Monaten nicht 700, sondern viel mehr Arbeiter gekündigt werden müssen.

Die in den letzten Jahren durch die österreichische Wirtschafts- und Sozialpolitik übermäßig hinaufgetriebenen Produktionskosten stellen die internationale Konkurrenzfähigkeit unserer Exportbetriebe mehr und mehr in Frage.

Solange Hochkonjunktur herrschte oder zumindest noch damals, erhaltene Aufträge ausgeliefert werden konnten, wurde sie Tatsache der verschlechterten Konkurrenzfähigkeit noch verdeckt. Nun aber kommt sie immer unübersehbarer zum Ausdruck.

Schon vor ein paar Wochen, als sich die offiziellen Sprecher noch in den Strahlen des Exportbooms 1974 sonnten, hat die FURCHE darauf hingewiesen, daß die Erfolgsbilanz trügerisch sei. In Wirklichkeit sind nämlich die Exportzuwachsraten im

Lauf des Vorjahrs radikal zurückgegangen und die Anschlußaufträge blieben in vielen Fällen aus. Die sinkende Tendenz hält in diesem Jahr weiter an.

Tatsächlich ist es auch schon gegen Ende 1974 speziell in stark exportorientierten Firmen, zu Personalentlassungen gekommen. Bis heute hat diese Tendenz unvermindert angehalten. Die Fahrradindustrie ist nur der bisher spektakulärste Fall, aber leider nicht der einzige.

Dies macht ja die Entlassungen so problematisch. Wäre es vor einem Jahr dazu gekommen, sie wären zwar unangenehm, aber kein Malheur gewesen. Die Betroffenen, zumeist gut geschulte Kräfte, hätten mit Leichtigkeit andere Arbeitsplätze gefunden.

Gegenwärtig ist die Situation ganz anders. Zwar schwelgten die Statistiken bis vor kurzem noch in Beschäftigungsrekorden, aber unter der Oberfläche hat sich die Bedarfsstruktur bereits stark verändert.

Wenn derzeit ein massiver Einsatz von Mitteln der aktiven Arbeitsmarktförderung gefordert wird, so darf man nicht vergessen, daß auch djese nicht Wunder wirken können. Abgesehen davon, daß sie vielfach in Zeiten der Hochkonjunktur für spektakuläre, aber nicht sehr effiziente Aktionen verzettelt wurden, und noch immer werden, hätte es keinen Sinn, mit ihrer Hilfe Produktionen aufrechtzuerhalten, für die kein Markt vorhanden ist. Und Umschulungskurse sind zwar ein probates Rezept für partielle Stuktur- krisen, nicht aber für einen generellen Konkunkturrückgang.

Bereits seit Herbst 1974 leiden zahlreiche Branchen unter einem starken Konjunktureinbruch, der — zwar in kleinen, unauffälligen Dosen — insgesamt zu nicht unbeträchtlichen Personalreduktionen in zahlreichen Branchen geführt hat, so in der Textil-, Bekleidungs-, Leder-,

Gießerei-, Glas-, Holz- und Papierindustrie sowie nicht zuletzt in der Bauwirtschaft. Eisenerzeugung und Metallverarbeitung sind im allgemeinen noch gut beschäftigt, doch gibt der sinkende Personalstand der Gießereien zu denken: Ihnen kommt erfahrungsgemäß eine Indikatorrolle zu, an der die weitere Entwicklung im übrigen Eisen- und Metallsektor schon afozulesen ist. Tatsächlich werden aus Deutschland auch bereits Einbrüche in den Stahlmarkt gemeldet.

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