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Konzept geht vor Kapital

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Vom verheißenen „breiten Gürtel des Wohlstandes” im Grenzraum ist nichts zu sehen. Vielmehr sind noch neue Problemgebiete dazugekommen: alte Industrieregionen.

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Vom verheißenen „breiten Gürtel des Wohlstandes” im Grenzraum ist nichts zu sehen. Vielmehr sind noch neue Problemgebiete dazugekommen: alte Industrieregionen.

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Die traditionelle Regionalpolitik, sieht sich zunehmend Schranken gegenüber: Schranken, die sich aus der vielfachen Erfolglosigkeit traditioneller Konzepte ergeben, Schranken auch, die die angespannte Budgetsituation der öffentlichen Haushalte setzt. Zusatzlich zu den traditionell entwicklungsschwachen Gebieten konkurrieren nun auch die in

Schwierigkeiten geratenen alten Industrieregionen um die knappen öffentlichen Mittel.

Ein Kurswechsel in der Regionalpolitik scheint daher unerläßlich. Selbst bei optimistischen Annahmen über seine Verwirklichungschancen wird in den nächsten Jahren eine Verschärfung der regionalen Disparitäten unvermeidlich sein. Verschiedene Wissenschaftlerteams versuchen, neue regionalpolitische Konzepte zu erarbeiten. Lassen Sie mich hier einige allgemein gehaltene Grundsätze einer neuen Regionalpolitik skizzieren:

# Regionalpolitik muß mehr und mehr als Langfriststrategie begriffen werden. Dem steht in unserem politischen System der Erfolgszwang innerhalb einer Legislaturperiode entgegen. In den alten Industriegebieten werden auch in Zukunft kurzfristige Feuerwehraktionen nicht zu vermeiden sein; dennoch müssen sie im Rahmen eines mittelfristigen Unternehmenskonzepts und im Hinblick auf mittelfristige Strukturzielsetzungen erfolgen.

# Ebenfalls in Konflikt mit unserer politischen Praxis ist die Forderung nach einer stärkeren Schwerpunktbildung innerhalb der Regionalpolitik. Das Auftreten eines höheren Funktionärs in einem Problemort darf nicht gleichbedeutend mit einem finanziellen Versprechen sein.

# Die generellen Förderungsinstrumente werden zunehmend daraufhin zu überprüfen sein, inwieweit sie regional diskriminierend wirken.

# Die traditionelle Betriebsansiedelungspolitik von außen wird in den Hintergrund treten. An ihrer Stelle werden die in einer Region vorhandenen aktuellen und potentiellen Ressourcen in stärkerem Maße als bisher aktiviert werden müssen.

Das bedeutet in erster Linie eine Förderung bestehender Betriebe, bedeutet zusätzliche Anstrengungen, landwirtschaftliche Potentiale (Schlagworte Bio, Ölsaaten, Holz) zu entfalten und gleichzeitig die Weiterverarbeitung, Veredelung sicherzustellen, bedeutet auch die Förderung einer kleinbetrieblichen und diversifizierten Struktur. Nicht die Höhe der Investitionssumme sollte für Regionalprojekte entscheidend sein, sondern die dadurch erzielbare regionale Wertschöpfung.

# Sowohl sachlich begründet wie auch auf Grund der finanziellen Beschränkungen werden Kapitalanreize relativ an Bedeutung verlieren, das Schwergewicht muß sich auf Beratung, Managementhilfe, Marktforschung, Innovationsförderung und insbesondere auch die Förderung zwischenbetrieblicher Kooperation und genossenschaftlicher Organisationsformen verlagern. Die traditionellen Grenzen zwischen Landwirtschaft, Gewerbe und Industrie müssen überschritten werden.

In den alten in Schwierigkeiten geratenen Industriegebieten wird es sicherlich nicht ohne größere Kapitalhilfen gehen. Aber auch hier sind Konzepte langfristig wichtiger als Kapital. Gleichzeitig muß auch in diesen Gebieten eine klein- und mittelbetriebliche Struktur auf Grund regionaler Gegebenheiten aufgebaut werden, die langfristig die vorhandene Monostruktur auflöst.

• Ein Gedanke zum breiten Thema der Infrastruktur: Die gute verkehrsmäßige Anbindung an große Ballungsräume hat den benachteiligten Regionen nicht nur Vorteile gebracht, vielfach hat sie die Abwanderung von Ressourcen in die Ballungsräume noch beschleunigt. Verstärktes Augenmerk ist daher auf die innerregionale Verkehrserschließung zu legen.

• Ein wichtiger Baustein der Regionalpolitik muß die Weiterentwicklung des regionalen Dienstleistungssektors sein. Dieser Punkt betrifft auch unmittelbar die öffentliche Hand, die durch Verlegung öffentlicher Dienststellen, durch die Bereitstellung einer besseren Infrastruktur der öffentlichen Verwaltung, aber auch von Freizeit- und Gesundheitseinrichtungen einen wesentlichen Beitrag zur Stärkung einer Region leisten kann.

Besondere steuerliche Maßnahmen, wie z. B. ein Abschlag von der Lohnsteuer, könnte die Abwanderungsneigung aus Problemregionen lindern und sogar die Zuwanderung qualifizierten Personals fördern. • Schließlich muß für regionalpolitische Maßnahmen eine funktionierende Erfolgskontrolle etabliert werden. Wir werden laufend mit Informationen überschwemmt, was für dieses und jenes Gebiet getan wurde oder getan wird, wie viele Mittel für diese und jene regionalpolitische Aktion bereitgestellt wurden. Ganz selten nur wird nachträglich eine Evaluierung der Ergebnisse all der Maßnahmen durchgeführt und noch seltener über die Ergebnisse einer solchen Kontrolle gesprochen.

Der Autor ist Direktor des Instituts für Höhere Studien in Wien. \

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