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Regionale Kreditinstitute

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Das Charakteristische des regionalen Kreditinstitutes ist nicht der Standort in einer bestimmten Region. In dieser Hinsicht unterscheidet es sich nicht von der Filiale und hat auch keine besondere Funktion. Wenn man den politischen Begriff „föderal“ mit einem bestimmten Land verbindet, hat man eine ähnliche Begriffqualität wie „regional“. Regional ist in Zusammensetzung mit Kreditinstitut ein wirtschaftspolitischer Begriff und meint eine Bank, die innerhalb eines bestimmten Landes tätig und in ihrer Wirksamkeit, das heißt in der Personal- und Geschäftspolitik, unabhängig ist und zum Unterschied von einer Filiale nicht einer Zentrale untersteht. Eine Mittelstellung zwischen Filiale und Regionalinstitut nehmen jene Banken ein, die ihre Tätigkeit auf eine Region (ein oder mehrere Bundesländer) ausrichten, infolge ihrer Affiliation mit zentralen Instituten jedoch der Konzentration, zumindest teilweise, unterliegen.

Das regionale Kreditinstitut stellt im Bankapparat das dezentrale Element dar. Will man seine Bedeutung umschreiben, so wird man dies am besten in der Gegenüberstellung zum Zentralen tun. Das Zentrale ist nicht gleich dem Zentralismus zu setzen. Zentralismus ist ein wirtschaftspolitisches System, eine Art wirtschaftlicher Ideologie, welche die zentral geleitete Wirtschaft zum Ziel hat. Die wirtschaftliche Tätigkeit als solche ist ideologielos und folgt den Überlegungen der Rationalisierung, der Riskenverminderung, der Geschäftserweiterung und der Vermögensstärkung. In der Wirtschaft verwendet man daher besser den Ausdruck „Konzentration“, wenn man die wirtschaftliche Führung in organisatorischer und vermögensmäßiger Hinsicht von einer Zentrale aus verwirklicht sieht.

Es ist nicht zu verkennen, daß die wirtschaftliche Konzentration heute im Zug der Zeit liegt. Sucht man nach der Ursache dieser Entwicklung, so wird man letztlich die moderne technische Revolution als solche ansprechen müssen. Die durch sie mobilisierte Produktivität erfordert nicht nur größere, sondern auch konstantere Märkte. Der Markt als zeit-räumliche Austauschgelegenheit genügt für den heutigen Ausstoß nicht mehr. Um das Risiko der Fehl- und Überproduktion auszuschließen, muß die heutige Massenproduktion mehr Einfluß auf den Markt haben als bloß jenen des biederen Feilhaltens. Dieser Umstand führt zur Marktstrategie und zur Marktbeherrschung. Letztere setzt eine schlagkräftige Produktionsbasis voraus, deren Schaffung und Erhaltung die Konzentration der Vermögen und des Kapitals zwingend erfordert. Auf diese Weise führt die Konzentration in der Produktionswirtschaft zur Konzentration im Kreditapparat. Auch hier wie ib der Produktionssphäre sind Expansion, Kooperation und Fusion die Wegzeichen dieser Entwicklung.

Gegen die Vertrauenskrise

Die wirtschaftliche Konzentration entwickelt ihre eigenen Methoden des Dirigismus. Eine der aufdringlichsten und charmantesten ist die Werbung, eine der gefährlichsten die Einspannung der politischen Macht und eine der schändlichsten jene der Bestechung. Die Forschung steht im Dienst dieser Konzentration. Mit Hilfe der elektronischen Datenverarbeitung sucht man ihren komplizierten Ablauf in den Griff zu bekommen. Wir wissen heute noch nicht, wohin dieser Prozeß führt und inwiefern wir auf diesem Weg der Entwicklung dauerhaften Erfolg erreichen. Es besteht mit Recht eine gewisse Sorge, daß wir auf diesem Weg Gefahr laufen, das menschliche Leben in seiner freien, urwüchsigen schöpferischen und profilierten Art zu vernachlässigen. Wir scheinen mit Hilfe der Konzentration erfolgreich zu sein in der Ausschaltung der materiellen Risken; die Köpfe und Geister aber und die menschlichen Herzen, welche an der Spitze der Konzentrationspyramide die Impulse auslösen und die Weichen stellen, wachsen nicht aus der sterilen zentralen Organisation heraus, sondern aus dem Bereich des Individuellen, Familiären, existentiell Einfachen. Wir sind daran, in Form der Konzentration eine gigantische Ausrüstung zur Gestaltung der Materie zu schaffeil, und sind gleichzeitig davon bedroht, den Raum der schöpferischen Freiheit des Menschen einzuengen. Die Materie läßt sich organisieren; das geistige Leben des Menschen jedoch braucht zu seiner Entfaltung Hilfsmittel, die ihm in der organisatorischen Konzentration nicht geboten sind, sondern ihm eher entzogen werden. Aus dieser Situation entspringt heute die Vertrauenskrise, welche die menschliche Gesellschaft in allen Belangen anfällt.

Alles, was dezentral ist, ohne veraltet zu sein, ist dazu abgetan, den Lebensraum des frei-schöpferischen und persönlich leistenden Menschen aufrecht zu erhalten. Das lebenstüchtige Dezentrale ist geeignet, der Vertrauenskrise von heute entgegenzuwirken, die von unpersönlichen und undurchsichtigen zentralen Organisationen unserer Welt ausgeht.

Der Kreditapparat, der wie keine andere Branche auf das Vertrauen aufgebaut ist, braucht deshalb auch wie keine andere das Dezentrale, das Persönliche, die aus dem dauernden Nahverhältnis zur konkreten Situation des Kündet! sich ergebende Entscheidungsbefugnis einer unmittelbar zuständigen Bankführung. Wir haben noch kein wirksames Mittel gefunden, um im Konzentrationprozeß das individuell Angepaßte wirksam zu schützen. Wir sind heute noch nicht in der Lage, den Konzentrationsprozeß mit einem echten Regenerationsprozeß zu verbinden. Die Spe-’ zialisierung, die dem Konzentrationsprozeß eigen ist, verliert zusehends ab Profilierung. Sicherlich stehen wir hier nicht vor unlösbaren Problemen, Es gibt in ein und demselben Unternehmen ein optimales Verhältnis zwischen Zentralisation und Dezentralisation. Die kooperativen Einrichtungen im Kreditapparat versuchen dieses Maß durch einen mehrstufigen Funktionsverbund zu erreichen, die zentral geleiteten Betriebe durch Stärkung der Filialkompetenzen; nirgebds aber hat das Dezentrale seine Einflußmöglichkeiten so wie im regionalen Kreditinstitut. Dort, wo das

Regionale mit dem Föderalen unserer Staatsstruktur zusammenfällt — es ist dies bei den Landeshypothekenbanken der Fall —, erhält die Fülle der politischen Struktur von der wirtschaftlichen Seite her eine nicht zu übersehende Anhäufung. Im zentralen Kreditinstitut kommt die politische Macht, etwa in Form der Gewerkschaften oder der politischen Funktionäre, stärker zum Durchbruch als im dezentralen. Die Macht der Zahl, einer statischen und unpersöbliehen Größe, kann im zentralen Kreditinstitut die unternehmerische Handlungsfreiheit der Person fast völlig blockieren, wenn der Revisionsabteilung, der in zentralen Gebilden ein besonderes Gewicht zufällt, neben der statistischen Darlegung der Verhältnisse eine geschäftsentscheidende Aussage zugestanden wird. Die Gefahr, daß dies geschieht, ist begreiflicherweise sehr groß. Mit all diesen Gefahren hat sich auch das regionale Kreditinstitut auseinanderzusetzen, nie aber in jeber die verantwortliche Führung so tief treffenden Schwere wie das zentrale.

Dem regionalen Kreditinstitut obliegt wie keinem anderen die Finanzierung der volkswirtschaftlichen Regeneration, die in erster Linie in der Bildung gesunder Betriebe aus den kleinen Anfängen der persönlichen Tüchtigkeit besteht. Aber auch die großen Finanzierungen sind ihm möglich, insbesondere auf dem Emissions- und Konsortialwege. Gerade das Emissionsinstrumebt, ein Kapitalmarktinstrument, wie es die Landeshypothekenbanken in ihrem Recht zur Behebung von Pfandbriefen und Kommunalobligationen haben, macht, sie in der Beschaffung langfristiger Mittel unabhängig von der Konzentration eines dichten Filialnetzes, weil sie im Verkauf ihrer Titel weder an die Grenzen ihrer Region noch an die des Staates gebunden sind. Bei guter und fachlicher Führubg können sie ihrer Region jeden langfristigen Geldbetrag zur gewünschten Zeit zur Verfügung stellen. Gerade das Emissionsinstrument ist wie kein anderes auf das regionale Kredit institut zugeschnitten. Das Emissionsbukett einer Vielzahl regionaler Emittenten ist dem Kapitalmarkt hinsichtlich Placierung, Kursund Marktpflege viel zuträglicher als seine Belastung durch zentrale Großemissionen. Auch die Vergabe der Emissionmittel dürfte auf dezentralem Weg den unternehmerischen Wünschen besser angepaßt sein als jene von zentraler Stelle aus.

Sieht man das regionale Kreditinstitut in seiner betrieblichen, volkswirtschaftlichen und staatspolitischen Bedeutung, so wird man der Feststellung, die gerade angesichts der Neu- kodifizierung des Bankenrechtes auszusprechen ist, beipflichten, daß für ein gediegenes

Kreditrecht die Unterscheidung von Universalbank und Spezialhank hinter jener von zentraler und dezentraler Kreditstruktur zu rangieren hat.

Abschließend soll nicht verschwiegen werden, daß die Regiobalbahken in ihrem Willen, sich zu behaupten, häufig Hindernissen zentraler Art gegenüberstehen, gleichgültig, ob sie von der zentralen Bürokratie, von sonstigen zentralen Stellen oder vom Gesetzgeber ausgehen. Meint man es aber allerorts ernst mit der Regenerationsfähigkeit unserer Wirtschaft, die im wesentlichen mit dem Vermögen zur Strukturwandlung zusammenfällt, dann sollte man die regionalen Kreditinstitute besser betreuen, als dies allenthalben geschieht.

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