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Funktion der Kreditinstitute

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In dieser Sonderbeilage der „Furche“ für Vorarlberg sollen wirtschaftliche, soziale und kulturelle Probleme zur Sprache kommen. Das mir gestellte Thema „Die Funktion der regionalen Kreditinstitute“ ist kein spezifisch vorarlbergisches Thema, und es wurde mir wahrscheinlich deshalb zugedacht, weil das Regionale mit dem Föderalismus verwandt und weil die Hypothekenbank des Landes Vorarlberg als rühriges regionales Kreditinstitut bekannt ist. Ohne Zweifel begegnet man in Vorarlberg einem wachen Sinn für örtliche und sachliche Zuständigkeit, gepaart mit einem zähen Willen zur Freiheit — alles Elemente starken regionalen Eigenlebens.

Mit „Region“ möchte ich einen größeren Bezirk als den eines Ortes bezeichnen und deshalb die regionalen Kreditinstitute von den lokalen, welche praktisch im Bereich einer Ortschaft tätig sind, abgrenzen. In der Regel fallen kleine und mittlere Spar- und Raiff-eisenkassen — etwa mit einer Bilanzsumme bis zu 100 Millionen Schilling — unter die lokalen Kreditinstitute. Anders verhält es sich bei größeren Spar- und Raiffeisenkassen sowie bei Volksbanken, die über den Bereich ihres Sitzes hinaus wirken. Die Filialen der Großbanken fallen trotz regionaler Wirksamkeit nicht unter diese Betrachtung, weil sie als Teil der überregionalen Kreditinstitute anzusehen sind.

Hinsichtlich der Funktion muß man zwischen Aktiv- und Passivgeschäft unterscheiden. Bei lokalen Kreditinstituten erstreckt sich das Aktiv- und Passivgeschäft in der Regel nahezu ausschließlich auf die betreffende Ortschaft. Bei den meisten regional tätigen Spar- und Raiffeisenkassen sowie bei den Volksbanken deckt sich der Bereich des aktiven und passiven Geschäftes im großen und ganzen mit der Region eines bestimmten geographischen Bezirkes, bei der Hypothekenbank des Landes Vorarlberg, hingegen deckt sich das Aktivgeschäft mit der Region Vorarlberg, während sich das PassivgesChäft weit über das Land, ja über Österreich hinaus erstreckt. Eine beträchtliche Anzahl von Emissionen der Hypothekenbank ist nicht nur an der Wiener Börse, sondern auch an den Börsen München, Zürich und St. Gallen kotiert; dies zeigt, daß die Hypothekenbank für die Plazierung ihrer Emissionen außer dem österreichischen Kapitalmarkt auch jenen der Schweiz und der Bundesrepublik Deutschland in Anspruch nimmt.

Der Begriff der Funktion hat aber noch andere Aspekte, die in Betracht gezogen werden müssen, will man die Frage nach der Funktion der regionalen Kreditinstitute voll beantworten. Zum Unterschied von regional wirkenden Filialen überregionaler Kreditinstitute bestimmen die regionalen Kreditinstitute ihre Geschäftspolitik selbst. Diese orientiert sich wohl am Geschehen des Großraumes, konzentriert ihre Tätigkeit aber dennoch ausschließlich auf den Bereich ihrer Region; sie steht und fällt mit ihr. Das regionale Kreditinstitut hat nicht die Möglichkeit, sich aus ihr zurückzuziehen; das Engagement mit der regionalen Wirtschaft ist unwiderruflich und ausschließlich. Für das regionale Kreditinstitut gibt es nur ein Aufgehen in überregionalen Unternehmen oder ein „Eingehen“.

Aus dieser Situation heraus entwickelt sich ein ungleich tieferes Nahverhältnis zur Wirtschaft der Region, eine größere Bereitschaft, sich auch dort neu oder mehr zu binden, wo Rentabilität kleiner oder Risiko größer als gewöhnlich ist. Die Kenntnis der realen wirtschaftlichen Struktur- und Gefahrenelemente ist in persönlicher und finanzieller Hinsicht bei den regionalen Instituten, soweit es ihre Region betrifft, meist größer als bei den überregionalen Instituten. Unternehmerisches Mitgehen, ja Mitleiden sowie unternehmerische Diskretion gehören zu den Vorzügen der regionalen Kreditinstitute.

Es ist eine alte Erfahrung, daß dem Unternehmerischen neben der genauen Beobachtung der Realitäten die Intuition eigen und für seinen Erfolg wesentlich ist, während Zentralstellen die Geschicke viel mehr durch Statistik zu leiten versuchen. Solange zentrale Stellen das Teamwork in der Delegation nicht verwirklichen, sondern die untergeordneten Stellen zu Erfüllungsgehilfen und „Postempfängern“ degradieren, wird das Unternehmertum am besten vom regionalen Institut verstanden und unterstützt.

Der heutige Trend, die regionalen Kreditinstitute von manchen Geschäften — wie etwa gewissen ERP-Sparten — auszuschalten, bedeutet eine Verkennung ihrer Stellung und hat in größerem Umfange den Verlust einer spezifischen Kreditbeartoeitung zur Folge. Der Umstand, daß Zentralstellen für eine Tätigkeit große Apparate aufziehen, ändert erfahrungsgemäß nichts an dieser Tatsache. Auch Spezialinstitute, und zwar solche, die bereits bestehen (etwa die Bausparkassen), oder solche, nach denen immer wieder gerufen wird (wie Spezialbanken für Wohnbau oder Fremdenverkehr), sind nicht in der Lage, mit ihrem Spezialapparat die Kenntnis und Erfahrung der regionalen Institute zu überbieten.

Spezialinstitute machen mehr von sich reden, als ihrem Wirkungsausmaß entspricht. Die regionalen Kreditinstitute finanzieren den Wohnbau, die Industrie, den Fremdenverkehr und die Gemeinden mehr als die dafür errichteten Spezialinstitute. Das Spezialinstitut widerspricht geradezu den Erfahrungen der Risikostreuung und der Risikokosten. In erster Linie rufen die einzelnen Interessengruppen nach einer Spezialbank. Insoferne der Grund hiefür nicht in der Unkenntnis der Finanzierungsmöglichkeiten liegt, ist — mehr oder weniger ausgesprochen — die Absicht dafür ausschlaggebend, über eine Spezialbank institutionelle Empfangsstelle für allerlei Arten von öffentlichen Subventionen zu wer-' den. Die Wirtschaftspolitik — und die Kreditpolitik im besonderen — geht hier falsche Wege. Sie schwächt den allgemeinen Kreditapparat, dessen besonderer Typ das regionale Kreditinstitut ist; sie begeht mit der einseitigen Verteilung von Förderungsmitteln ausgesprochene Ungerechtigkeiten; sie züchtet in den Spezialinstituten auf Kosten der Subventionen einen Apparat, der nie rentabel sein wird und immer die strukturellen Schwächen fachlicher Schmalspurigkeit in sich schließt. Die Spezialinstitute ablehnen, heißt aber nicht, den heute ebenfalls feststellbaren Zug zur Universalbank verfechten, dergestalt, daß nun jeder alles machen, daß der Kampf aller gegen alle auf jedweden Gebieten entbrennen soll. Jedes Institut ist etwas Gewordenes. Jedes Institut hat sein satzungsmäßiges Instrumentarium, welches ihm die optimale Wirksamkeit nur auf bestimmten Sachgebieten erlaubt. Bei aller Aufgeschlossenheit für sämtliche Bankgeschäfte und bei der grundsätzlichen Bereitschaft, dem Kunden möglichst allseitig dienstbar zu sein, gebietet die Rationalisierung auch im Kreditapparat eine Spezialisierung. Spezialinstitut und Spezialisierung im Kreditapparat sind zwei völlig verschiedene Aspekte. Im Kreditapparat ist eine Spezialisierung, die auf das besondere Instrumentarium und die besondere Erfahrung abstellt, trotz universalem Trend möglich und wünschbar. Ein besonderes Beispiel hiefür bietet die Hypothekenbank des Landes Vorarlberg, welche über 90 Prozent ihrer Kreditmittel mit Hilfe ihres Emissionsinstrumentes beschafft und sich in diesem Sektor auf den europäischen Kapitalmarkt spezialisiert, ohne daß sie dabei der institutionellen Einseitigkeit eines Spezialinstitutes verfällt.

Leider werden Konzepte zentraler Kreditoperationen häufig auf so geringer Erfahrung und mit so wenig theoretischen Kenntnissen aufgebaut, daß es zu ihrem Funktionieren eines engen und exklusiven Teilnehmerkreises bedarf und die Einschaltung des breitgestreuten regionalen Kreditapparates nicht möglich ist. Bei der Vergabe der ERP-Mittel ist rückblickend deutlich festzustellen, daß die oligopole Vergabe von Finanzierungsmitteln volkswirtschaftliche Fehlleitungen in sich schließt, nicht zuletzt deshalb, weil der gesunde Unternehmer die Prozedur eines bürokratischen und der wesentlichen Erfahrung baren Apparates ablehnt. Hier ist ein Sachverhalt angesprochen, der zum Wesen der regionalen Kreditinstitute zu zählen ist. Sie überblicken ihre Wirklichkeit und sind damit in der Lage, theoretische Überlegungen und bürokratische Formalitäten in jenen Schranken zu halten, die für ein fortschrittliches Unternehmertum noch erträglich sind.

Für regionale Institute bestehen zwei große Gefahren:

Eine davon ist ihre Benachteiligung durch die zentralen Operationen. Hiefür ein Beispiel: Die Hypothekenbank des Landes Vorarlberg hat sehr viel für die Vorarlberger Industrie getan und Kapital zu einmaligen Bedingungen beschafft. Sie hat es dabei nicht immer leicht gehabt, die formale Genehmigung der zentralen Stellen zu erhalten. Ihre Währungsemissionen wurden — im Gegensatz zu denen anderer auf zentraler und auf Spe-zialbankbasis wirkender Institute — auf dem inländischen Markt nicht zugelassen. Inländisches Kapital wurde einseitig auf zentraler Ebene verteilt, und zwar zu Konditionen, die weit unter den Kapitalmarktsätzen liegen. Auch heute bestehen wieder Pläne, wie etwa der, man solle die Mindestreserven freigeben und über zentrale Institutionen veranlagen.

Während diese Gefahr außerhalb des Bereiches der regionalen Institute liegt, ist die zweite, die ihnen droht, in ihnen selbst beziehungsweise in ihrer Verbandsbürokratie gelegen. Durch die Verbände ist der Wettbewerb auf die Ebene des Machtkampfes gesetzt worden; immer mehr werden die Weichen der Entwicklungsmöglichkeit von den Maximen des Machtkampfes gestellt. Ein Beispiel hiefür ist der jährliche Filialstreit, der von den Verbänden ausgetragen wird. Die regionalen Kreditinstitute vermögen sich dem Zwang ihrer eigenen Verbände immer weniger zu entziehen. Die Verbandsbürokratie schiebt sich in die Aufgaben der einzelnen Unternehmen und schafft Existenzbedingungen, welche für die Entwicklung der regionalen Institute Zwang und Uniformierung bedeuten. Mit der Uniformierung aber geht das Lebenselement persönlichen Engagementes und persönlicher Verantwortung verloren. Das zeigt sich zum Beispiel bei den Auseinandersetzungen bezüglich der Fünftagewoche. Sie wurde auf zentraler Ebene beschlossen, in Vorarlberg hingegen auf regionaler Ebene versagt, und zwar nicht nur von den Direktoren, sondern auch von den Bankangestellten. Warum? Auf zentraler Ebene wurde die Kardinalfrage der funktionalen Verantwortlichkeit nicht gestellt, sondern höchstens jene der innerbetrieblichen und gewerkschaftlichen Zweckmäßigkeit; auf regionaler Ebene dagegen wurde abgewogen, ob man an Samstagvormittagen einer durchschnittlichen Kundenzahl von 200 bis 400 Personen den Dienst versagen dürfe, damit durchschnittlich 5 bis 15 Bankbeamte, die turnusmäßig ohnedies nur alle drei bis vier Wochen Samstagdienst zu machen haben, absolute Samstagsperre halten können.

Die Gefahr, daß die Leitungen regionaler Banken bloße .Postempfänger“ für die zentrale Verbandsbürokratie werden, ist zwar noch weit entfernt, infolge der Verstrickung ihrer Existenz in den Machtkampf der Verbände aber näher, als man glaubt. Dieser Gefahr sollten die regionalen Kreditinstitute dadurch begegnen, daß sie eine regionale Zusammenarbeit suchen und daß sie hiebei die lokalen Institute in das arbeitsteilige Wirken einbeziehen.

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