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Zusammenwirken!

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Kultur ist etwas Umfassendes, Allgemeines, ist gewachsene seelische Eigenart und deren Projektion in die Umwelt. Kulturpflege ist vor allem Dienst am lebenden Menschen, denn auch die Erhaltung des Kulturerbes, die Pflege der Sachkultur erhalten hur unter dieser Blickrichtung ihren höchsten Wert und ihre eigentliche Berechtigung. Der schier unüberschaubare Umfang dieses Gebietes erfordert Arbeitsteilung und Spezialisierung. Ohne Bindung an eine Mitte, ohne Ueberschau, Zusammenschau und zentrale Lenkung werden aber die einzeln betreuten Teil- und Randgebiete leicht überschätzt und das Mittel zum Selbstzweck. Die Kultur eines Volkes ist ein vielfarbiges Mosaikbild, das aus den geprägten Formen der zahllosen Einzeläußerungen gebildet wird und von der Volkskultur bis zur Hochkultur, von der persönlichen bis zur Gemeinschaftskultur reicht. Politische, weltanschauliche, landwirtschaftliche Scheidungen können daher innerhalb eines Volkes mit gemeinsamer Vergangenheit nur Schattierungen und unterschiedliche Ausprägungen vor einem unverwischbaren gemeinsamen, ein Gesamtbild gebendem Hintergrunde sein, in den sich alles kulturpflegerische Bemühen einfügen muß, will es nicht trennen, statt verbinden, so wie etwa alle christliche Kunst und auch das neue christliche Brauchtum sich einfügen, und nur neue, gegenwartsgeprägte und darum besser verstandene Aussage sind. Auf dem Gebiete der Kulturpflege in allen ihren Formen und Sparten ist daher Zusammenarbeit eine Notwendigkeit, wenn nicht das vielfältige Bemühen wirkungslos verpuffen soll.

Leider läßt dieses Zusammenwirken in Niederösterreich in besonderem Maße zu wünschen übrig, wofür teils politische Gründe, teils organisatorische Mängel als Ursachen zu nennen sind. Die politischen Gründe wären beseitigt, wenn es gelänge, die maßgebenden Parteien davon zu überzeugen, daß Kulturpflege etwas Umfassendes, Gemeinsames, etwas Bindendes und Verbindendes ist, das also als gemeinsames Anliegen aller der politischen Einflußnahme und dem politischen Machtkampf entzogen gehört und daß Kulturpflege (man denke nur an ihre Teilgebiete Volksbildung und Gemeinschaftspflege) die wichtigste staatsbürgerliche Erziehung darstellt. Will sie doch nichts anderes, als die Menschen edler und besser, glücklicher und zufriedener machen, ihrem Leben mehr Wert und Sinn verleihen und unser Land schöner und liebenswerter gestalten.

Eine ' Beseitigung der Organisator i-schMängel würde gesetzgeberische Maßnahmen erfordern, aber von solch bescheidenem Umfang, daß sie, sofern nur einmal die Initiative dazu ergriffen wird, unschwer zu erreichen sind.

Die gegenwärtige Situation möge kurz skizziert sein: Da gibt es zunächst das Kulturreferat der niederösterreichischen Landesregierung, dessen Exekutivapparat mit Hofrat R i n t e r s-bacher und den Kustoden des Niederösterreichischen Landesmuseums, Dr. Feuchtmüller und Dr. M a c h u r a, über ausgezeichnete sach- und auch rechtskundige Beamte von Ruf verfügt, die von hohem Idealismus beseelt und von unermüdlichem Arbeitswillen erfüllt sind. Sie stehen jedoch einer fast unübersehbaren Flut von Aufgaben und Anforderungen gegenüber, da ihnen kein weiterer organisatorischer Apparat für ihre Zwecke im Lande zur Verfügung steht. Daneben gibt es - außerhalb dieser Instanz und im eigenen Wirkungsbereich — den vom Bundesministerium für Unterricht eingesetzten Bundesstaatlichen Volksbildungsreferenten für Niederösterreich, seit kurzem in der Person von Prof. Dr. S z e r e 1-tn e s ebenfalls mit einem hervorragenden Fachmann wiederbesetzt. Auch diesem steht kein weiterer Apparat zur Verfügung, und er ist mehr oder weniger auf persönliche Werbung und direkte Fühlungnahme mit hunderten Vereinen, Gruppen und Einzelpersonen angewiesen. Als drittes ist schließlich das Niederösterreichische Heimatwerk zu nennen, das als Dachorganisation aller volksbildenden Bestrebungen gedacht ist und somit den fehlenden Apparat darstellen würde. Es ist noch im Aufbau begriffen, weist aber - dank der Rührigkeit seines unermüdlichen ehrenamtlichen Vorstandes H. S. Dir. Gruber — bereits in manchen Bezirken erfreuliche Erfolge auf, die seine Zweckmäßigkeit voll und ganz bestätigen. Da das Heimatwerk — das übrigens in Niederösterreich Volkskunstpflege und Volksbildung betreibt, während in den meisten anderen Bundesländern diese beiden organisatorisch getrennt sind — jedoch auf vereinsrechtlicher Grundlage errichtet wurde, genießt es zwar die Förderung der Behörden des Bundes und Landes, kann aber nicht als deren verlängerter Arm und Ausführungsorganisation, nicht als offizieller Träger der kulturellen Arbeit in Niederösterreich anerkannt werden. Und endlich gibt es noch die zahlreichen, in ihrer Fülle gar nicht aufzählbaren einzelnen kulturpflege-rischen Institutionen, Arbeitsgemeinschaften und Gruppen, wie die Arbeitsgemeinschaft für Musikerziehung, Arbeitsgemeinschaft für Laienspiel, Volksliederwerk u. v. a., die unabhängig voneinander wirken, daher nur Interessentengruppen erfassen und sammeln, und in vielen Fällen voneinander kaum wissen, was unnütze Mehr-geleisigkeit und unnötiger Kräfteverschleiß zur Folge hat und eine Wirksamkeit in die Breite vereitelt. Die opfervolle Arbeit der einzelnen Kulturträger im Lande sieht sich durch diese Desorganisation des Kulturlebens des aus der Gemeinsamkeit erwachsenden Rückhaltes beraubt und oft um den Erfolg ihres Mühens gebracht.

Es wäre daher angebracht, einmal im Rahmen einer Enquete oder Arbeitsbesprechung alle auf dem Gebiete des kulturellen Lebens unseres Landes wesentlich wirkenden Behörden, Organisationen, Verbände und Einzelpersönlichkeiten zu grundsätzlicher Aussprache und zu grundsätzlicher Einigung an einen Tisch zu bringen, die Kompetenzen zu klären und vor allem das Zusammenwirken — letzteres in denkbar einfachster, unkomplizierter, restlos der praktischen Arbeit dienender Form — zu beschließen. Die sich darbietenden einzelnen Elemente brauchen zu diesem Zwecke nur ineinandergreifend zusammengefügt werden, etwa indem sich die Landesregierung des Niederösterreichischen Heimatwerkes als des Apparates zu praktischer Arbeit im Lande draußen bedient, dessen Bezirkskulturreferenten auch als Funktionäre der staatlichen Kulturpflege anerkennt und ihnen für ihre nach wie vor ehrenamtlich zu leistenden Tätigkeit den administrativen Apparat der Bezirkshauptmannschaft zur Verfügung stellt und ihre Spesen vergütet, was wohl allein schon dadurch gerechtfertigt erscheint, daß deren kulturpflegerisches Wirken eine enorme Arbeitsleistung aufbürdet, sie der Familie entzieht und obendrein den Verzicht auf jeden Nebenverdienst zur Folge hat. Die für 195 5 vorgesehene erhebliche Erhöhung des Kulturbudgets wird eine solche Maßnahme ohne pekuniäre Schwierigkeiten ermöglichen. Damit würde der Kulturpflege in Niederösterreich jenes schlagkräftige und arbeitsfähige Instrument geschaffen, das ihr bisher fehlte und damit die Voraussetzung zu der in unserer Zeit mehr denn je bitter notwendigen kulturellen Erneuerung geschaffen.

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