Die Mütter des Krieges
Mit weiblicher Fruchtbarkeit wurde und wird Krieg getrieben – und Vergewaltigung ist dabei die barbarischste Waffe. Gedanken zum Muttertag und Jahrestag des Weltkriegsendes am 8. Mai.
Mit weiblicher Fruchtbarkeit wurde und wird Krieg getrieben – und Vergewaltigung ist dabei die barbarischste Waffe. Gedanken zum Muttertag und Jahrestag des Weltkriegsendes am 8. Mai.
Der Krieg sei der „Vater aller Dinge“, heißt es bei Heraklit: „Die einen macht er zu Göttern, die anderen zu Menschen, die einen zu Sklaven, die anderen zu Freien.“ Der Krieg als große historische Gestaltungskraft also – ja gar als Ermöglicher von menschlichem Fortschritt, erfolgreichen Revolutionen und Demokratisierung, wie es der deutsche Historiker Dieter Langewiesche in seinem 2019 erschienenen Buch „Der gewaltsame Lehrer“ beschreibt? Eine paradoxe, ja skandalöse Vorstellung. Schließlich bedeutet Krieg im Kern eine Außerkraftsetzung von Humanität: Er bietet gleichsam die Lizenz zum ansonsten tabuisierten Töten von Menschen.
Umso mehr stellt sich die Frage nach der Rolle jener im Krieg, die diese Menschen geboren haben: den Müttern.
Die monströse Umwälzungskraft des Krieges als „Vater aller Dinge“ hat für sie ein konkretes Gesicht: Es ist der eigene Sohn, der vermisst, verwundet, verstümmelt, traumatisiert oder getötet wird. In der christlichen Kunstgeschichte wurde dieser Topos der „Schmerzensmutter“ vielfach ins Bild gebracht – von der Pietà bis zum mittelalterlichen Gedicht des Stabat Mater, der Mutter Jesu neben ihrem toten Sohn am Kreuz.
Doch was kann es überhaupt rechtfertigen, den eigenen Sohn in einen Krieg zu schicken? Was kann mehr wert sein als das eigene Kind? Ehre, Volk und Vaterland – so wollte und will es die Propaganda. Unter den Nazis starben die soldatischen „Helden“ für den Führer und sein „tausendjähriges Reich“, das am 8. Mai 1945 mit der bedingungslosen Kapitulation Hitlerdeutschlands endete. Mütter waren dabei stets fixer Bestandteil der Kriegslogik: Kinder zu gebären, sah Hitler als ureigenstes „Schlachtfeld der Frau“. Rund fünf Millionen Mutterkreuze wurden ab 1939 vergeben – und nach 1945 mehr oder weniger verschämt weggeräumt.
Zweierlei Heroismus
Und heute, in Wladimir Putins Angriffskrieg? Die geflohenen Frauen und Mütter aus der Ukraine kommen allein, ihre Söhne und Männer zwischen 18 und 60 Jahren mussten bleiben. Der von Wolodymyr Selenskyj ausgegebene Heroismus, der Geschlechterrollen zementiert, kann kritisch hinterfragt werden, doch das Ziel des Kämpfens ist klar: die Verteidigung von staatlicher Souveränität, Freiheit und Demokratie gegen einen Aggressor.
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