Muttertag - der schwierige Ehrentag

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Kommenden Sonntag werden den „lieben Mamas“ wieder Gedichte aufgesagt und Blumen überreicht. Wie geht es den beschenkten Frauen wirklich? Ein Gastkommentar mit Blick in die Geschichte.

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Kommenden Sonntag werden den „lieben Mamas“ wieder Gedichte aufgesagt und Blumen überreicht. Wie geht es den beschenkten Frauen wirklich? Ein Gastkommentar mit Blick in die Geschichte.

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Mama – bestimmt das dichteste Wort. Mutterliebe, Sie wissen, wovon ich spreche. Begründet durch das Faktum des Geboren-Habens. Diese Woche feiern wir wieder das Hochfest dieses Worts.

Komisch nur, dass keine der Frauen in meinem Umfeld – mich eingeschlossen – ein entspanntes Verhältnis zum Muttertag hat. Wir freuen uns über die Basteleien und lieben Gedichte, keine Frage. Aber ich kenne keine Frau, die sagen würde, ihr läge etwas am Muttertag, als befeierte Mutter.

Andererseits ist allen wichtig, die eigene Mutter zu feiern, also die Mühen abzugelten. Das heißt: kein Bedarf nach eigener Bedankung, aber sich selbst bedanken, das schon. Eine seltsame Schieflage, die sich auftut.

Nur was sind die großen Linien des Muttergefühls und des Muttertags? Als Theologin beginne ich mit der Jesus-Bewegung, die keinen großen Wert auf den Mutterbegriff legte. Jesus forderte sein Umfeld auf, die Familien zu verlassen, zugunsten einer großen Gemeinschaft. Maria war in seinem Leben präsent, hatte aber keinen Einfluss auf sein Tun. Ob im Tempel als Zwölfjähriger oder bei der Hochzeit zu Kanaan: Besondere Rücksicht hat er nicht genommen auf seine Mutter. Wenigstens stellte Jesus kurz vor seinem Tod ihre Versorgung sicher.

Auch im frühen Christentum bis ins Mittelalter war die Mutter-Kind-Beziehung kein hoher Wert. Bekannt ist der Topos der Märtyrerin, die sich das eigene Kind von der Brust nimmt und freiwillig in den Tod geht. Oder die Frauen, die ehe- und kinderlos lebten, in Orden oder sogenannten Beginengemeinschaften, also Gemeinschaften von Laien.

Kein Raum für Mutterideal

Ein Kind zu bekommen passierte den Frauen, und dann war man eben Mutter. Das Kind starb in den ersten Jahren, es wurde (und das nicht nur in reichen Häusern) von einer Amme gesäugt. Familie war eine Gemeinschaft, die gemeinsam über die Runden kommen wollte, mit – im Vergleich zu heute – wenig geschlechtsspezifischen Arbeiten. Da war kein Raum für Mutterideal.

Auch das Bild von Maria, der Mutter Jesu als Vorbild aller Mütter, war ein anderes. Maria stand biblisch unabhängig neben Jesus und traf eigene Entscheidungen. Jesus stellte sie nicht als Vorbild für das Konzept Mutterschaft dar. Auch später, bis ins Mittelalter, war Maria mehr Kämpferin als Ertragende, wie das Bild der Schutzmantelmadonna verdeutlicht, die vor bösen Mächten schützt. Dieses Bild hat sich im 18. und 19. Jahrhundert gewandelt. Hin zur reinen Magd, der aufopferungsbereiten Frau, voller Hingabe, die unser aller Mutter wurde. Maria als Vorbild für Frauen: keusch, demütig und gehorsam.

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