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Lernen von der OPEC

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„Wie grün kann der Fiskus sein ?“ fragte die FURCHE in derNummer 36/89. Hiereine weitere Einschätzung der Chance, die Wirtschaft mittels Steuern erfolgreich zu „ökologisieren?“

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„Wie grün kann der Fiskus sein ?“ fragte die FURCHE in derNummer 36/89. Hiereine weitere Einschätzung der Chance, die Wirtschaft mittels Steuern erfolgreich zu „ökologisieren?“

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Mit Worten laßt sich trefflich streiten, mit Worten ein System bereiten. Hat Goethe für die Studienstu-benszene inFaust I das Verdikt über den ÖVP-Slogan „Öko-soziale Marktwirtschaft“ formuliert?

Wie trefflich sich mit dem neuen (Schlag-)Wort streiten laßt, wird sich in den nächsten Wahlgängen erweisen. Das System-Bereiten jedenfalls hat, weil anscheinend doch nicht gar so einfach, erst mit einiger Verzögerung eingesetzt und ist bisher nicht viel weiter gediehen als bis zur - pardonl - LeerformeL „Man muß die Rahmenbedingungen für das Wirtschaften so verändern, daß man von vornherein den Unternehmer in die Lage versetzt, vom Wirtschaftlichen her begründet und motiviert Umwelterhaltung betreiben zu können“ (Bundesparteiob-mann Josef Riegler am 9. August in einem „industrie“-Interview).

Nicht eben ein Musterbeispiel für die Konkretisierung dieser löblichen Absicht ist auch die Forderung nach einem veränderten Steuersystem, „das den ökologischen Aufgabenstellungen bestimmte Incentives zuordnet“. Dies vollends in Verbindung mit dem Versprechen, daß die Gesamtbelastungsquote weiter sinken werde.

Weniger zimperlich - oder weniger illusionär? - ist in puncto Gesamtbelastung als Folge ökologischen „Lenkungssteuern“ der kürzlich präsentierte Entwurf für den Wirtschaftsteil der Langfristkonzeption „Sozialdemokratie 2000“. Allerdings ist dort die Ablehnung einer allgemeinen Energiesteuer als angeblich unsozial genauso eine prophylaktische Selbstfesselung wie auf ö VP-Seite die Ablehnung einer Abwasserabgabe als angeblich kontraproduktiv.

Ob „Öko-Fiskalismus“ von rechts oder von links - die Aufgabe ist gewaltig, denn in letzter Konsequenz geht es quasi um eine ökonomische Genmanipulation, laboriert doch das gesamte Preissystem (und zwar gar nicht nur das marktwirtschaftliche) an einem Geburtsfehler In die Kostenrechnung gehen keinerlei Abschreibungen für den Produktionsfaktor Boden - in heutiger Sicht müßte es besser „Natur“ heißen -ein.

Diese (Substanz-)Abschreibung fehlt in den Endpreisen der Produkte selbst dann, wenn es beim Faktor Boden keineswegs um ein „freies“, weil vermeintlich unbegrenzt verfügbares Gut geht: Die Erdölreserven etwa sind evident begrenzt, und dennoch werden in der Preiskalkulation des Rohöls (und aller Folgeprodukte) nur die Auf schließungsund die Förderkosten, nicht jedoch irgendwelche Abschreibungen für den Substanzverkehr berücksichtigt.

Erst recht findet sich von solchen Abschreibungen in der Kostenrechnung dann keine Spur, wenn der Produktionsfaktor Natur ein „freies“ Gut zu sein scheint (Luft, Wasser, Land und Meer als Einbringungsraum für Abfälle).

Gäbe es solche Abschreibungen, müßten sie eo ipso mit dem Grad der Erschöpfung der jeweiligen Ressourcen progressiv steigen und so Preiskorrekturen bewirken, die Einsparungs- oder SubstitutionsVorgänge auslösen; so etwa hätte die dramatische Verminderung des Restbestandes an Walen sämtliche Tranprodukte längst unerschwinglich teuer (und den Walfang unrentabel) machen müssen.

Es geht also darum, die fehlenden natürlichen Knappheitssignale durch künstliche zu ersetzen, wie dies die OPEC zweimal ganz brutal und fürs erste mit durchschlagendem Erfolg getan hat: der Preisanstieg drosselte die Nachfrage nach Erdölprodukten und setzte die Suche nach Vermeidungsstrategien in Gang.

Natürlich war die Motivation der Ölscheichs eine völlig andere, aber zumindest ein Schluß läßt sich vom OPEC-Beispiel auf die „Öko-Fiskalpolitik“ ziehen:

Daß das wirksamste „Incentive“ ein „Disincentive“ ist, nämlich ein abschreckend hoher Preis. Sollte sich hinter dem ÖVP-Versprechen einer weiter sinkenden fiskalischen Gesamtbelastung die Hoffnung verbergen, mit gezielten Steuerbegünstigungen einen ausreichenden Anreiz zur Vermeidung von Umweltbelastungen schaffen zu können, wäre das eine Illusion. Sinken könnte die Gesamtbelastungsquote in einer „Öko-sozialen Marktwirtschaft“ höchstens dann, wenn die Lenkungssteuem prohibitiv hoch wären: So hoch nämlich, daß man sich ihre Vermeidung jeden Preis kosten läßt - im übertragenen, aber auch im wörtlichen Sinn, nämlich gemünzt auf die Abnehmer, auf die er überwälzt wird.

Aber einerlei, ob es um die Überwälzung der Lenkungssteuern selbst, damit umweltbelastende Produkte wenigernachgefragt, oder des betrieblichen Mehraufwandes geht, damit solche Produkte gar nicht erst angeboten werden - di notwendige Voraussetzung sind Abnehmer, die keine Ausweichmöglichkeit haben.

Eben das ist aber in einer kleinen „offenen“ Volkswirtschaft eine unerfüllbare Voraussetzung, denn weder können wir die ausländischen Abnehmer österreichischer Produkte zwingen, diese Verteuerung passiv hingnnptiTTWTi, noch können wir die inländischen Abnehmer daran hindern, auf billigere Importprodukte aus weniger öko-fiskalisti-schen Ländern auszuweichen; einem Grenzausgleich wie bei der Mehrwertsteuer stehen aber nicht bloß unsere EG-Ambitionen, sondern bereits unsere GATT-Verpflichtungen im Wege.

Also keine Chance, mit Steuersystemänderungen die Marktwirtschaft zu „ökologisieren“?

Doch. Aber nicht (oder nur innerhalb sehr enger Grenzen) im Alleingang.

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