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Mehr Selbständigkeit und mehr Sinn geben
Daß wir der Verschwendung von Energie und Rohstoffen Einhalt gebieten müssen, haben wir bereits erkannt. Ebenso wurde uns immer deutlicher bewußt, daß wir auch mit unserer Umwelt haushalten müssen. Einen Fehler wollen wir aber kaum eingestehen: nämlich den, daß wir auch die schöpferischen Anlagen'des Menschen verschwenden - indem wir sie nicht nützen.
Daß wir der Verschwendung von Energie und Rohstoffen Einhalt gebieten müssen, haben wir bereits erkannt. Ebenso wurde uns immer deutlicher bewußt, daß wir auch mit unserer Umwelt haushalten müssen. Einen Fehler wollen wir aber kaum eingestehen: nämlich den, daß wir auch die schöpferischen Anlagen'des Menschen verschwenden - indem wir sie nicht nützen.
Die Vergeudung der schöpferischen Anlagen des Menschen erfolgt hauptsächlich in den Massenbetrieben der Großindustrie und der großen Verwaltungen. Gegen sie richten sich auch die Angriffe verschiedener alternativer Bewegungen, die aber zu wenig bedenken, daß ohne Großbetriebe zumindest zunächst unsere Gesamtwirtschaft zusammenbrechen müßte. Der Großbetrieb ist aber keineswegs notwendig mit einer Massenorganisation verbunden, in der jeder einzelne als ein kleiner Hilfsmaschinenteil menschlich untergehen muß.
Die Möglichkeit und Notwendigkeit der Aufgliederung der Großbetriebe durch Gruppenorganisation ist bekannt. Nur das organisatorische „Wie" einer Gruppenorganisation bereitet Schwierigkeiten. Diese werden überwunden, wenn im Arbeitsfluß keine Stauung und kein Nachschubmangel an den Vorprodukten eintreten und dadurch teure Zwischenlager oder Stehzeiten vermieden werden.
Die Lösung könnte in einer steigenden Gruppenorganisation liegen, mit der erreicht wird:
• eine enge Bindung an die Gruppenstelle mit dem Erfordernis guter Zusammenarbeit bei selbstbestimmter Gestaltung und selbstorganisiertem Arbeitsablauf innerhalb der Gruppe, also schöpferische Arbeit;
• mitdenkende Zusammenarbeit zwischen den Gruppen, die aus eigenem Antrieb Störungen und Hemmnisse zu beseitigen suchen, auch mit gegenseitiger Aushilfe, wenn z. B. eine Gruppe zeitweis'e zu wenig leistet; aber auch Vorschlagwesen und
Arbeitsplatzwechsel (Job-Rotation) werden angeregt;
• die Meister können sich wieder ihrer eigentlichen-, technischen Aufgabe widmen, sie brauchen nicht als „Antreiber" zu wirken;
• Materialersparnis braucht nicht durch kostspielige Kontrollen gesichert zu werden, da sie eigenstes Anliegen der Gruppe ist; • insgesamt wird also schöpferische Mitbestimmung dort verwirklicht, wo sie für jeden sinnvoll möglich ist: an seinem Arbeitsplatz.
Die zweite Möglichkeit der Vergeudung der schöpferischen Anlagen des Menschen entgegenzuwirken, böte sich jn einer Verflechtung von Industrie (Großgewerbe) und Landwirtschaft. Besonders von der Ent-siedlung bedrohte Grenzgebiete und alle Landstriche, in denen eine Umstellung auf Zuerwerbs- und Neben-erwerbslandwirtschaft bereits jetzt erfolgt ist, warten geradezu auf die Verflechtung.
Der Grundgedanke dabei: die Industriearbeit kann immer nur in einem eingeschränkten Maß schöpferisch-selbstbestimmt sein. Dagegen ist bäuerliche und gärtnerische Arbeit voll selbstbestimmt, besonders wenn sie unternehmerisch in eigenen Betrieben geleistet wird. Sie könnte daher - unter anderen Vorzeichen als heute - eine sinnvolle Ergänzung zur Fabriksarbeit sein.
Wird nun in industriellen und großgewerblichen Betrieben, den Interessenten an landwirtschaftlicher Siedlung Kurzarbeit ermöglicht, je nach den räumlichen und organisatorischen Erfordernissen als Halbtags-, Halbwochen- oder auch Saisonarbeit, so kann die restliche Arbeitszeit der Land- oder Gartenwirtschaft gewidmet werden.
Die Verflechtungslandwirte und -arbeitnehmer erreichen, was sie aus eigenem Antrieb bisher durch Zuer-werbs- und Nebenerwerbswirtschaft zum Teil erreicht haben, aber ohne die Überlastung, die sie heute selbst, besonders aber ihre Frauen zu tragen haben.
Es sind aber auch kurzfristig wirksam werdende Maßnahmen zur Umstellung der Wirtschaft mit dem Ziel der Beendigung der Vergeudung und der Sicherung der Vollbeschäftigung notwendig und möglich.
In erster Linie, auch im Interesse der Rohstoff- und Energieeinsparung, ist der Stadterneuerung vor der Stadterweiterung der Vorrang einzuräumen, dies vor allem auch zur Sicherung von Grünland. Dazu ist die Vergrößerung der Verkehrsflächen um jeden Preis zu verhindern.
Um Investitionsverluste zu vermeiden, muß sich die Bauwirtschaft rasch von Großmaschinen auf kleinere umstellen, wenn man sich von den Mammuthoch- und Tiefbauten mit energieaufwendigen Klimaanlagen abwendet. Um Fehlinvestitionen zu verhindern, wäre es • überlegens-wert, daß etwa nach vier oder fünf Jahren für Großmaschinen weder Investitionsbegünstigungen noch Abschreibungsmöglichkeiten zugestanden werden. Dies müßte aber vorher als politische Weichenstellung angekündigt werden, weil sonst noch weiterinvestiert wird. Mit Arbeitslosigkeit im Baugewerbe wäre bei solchen Maßnahmen nicht zu rechnen. Im Gegenteil: die Erneuerungsarbeiten erfordern einen größeren Arbeitskräfteeinsatz als neue Großbauten.
Ähnlich wie bei der Eindämmung der Verschwendungstendenzen, in der Bauwirtschaft durch Stadterneuerung könnte bei der Einschränkung der industriellen Fertigung von Wegwerfwaren verfahren werden.
Das Verständnis für solche Maßnahmen, von denen nur ein paar andeutungsweise angeführt werden konnten, wird aber nur dann erwartet werden können, wenn der Mensch die schöpferische Arbeit wiederentdeckt. Dazu muß alles getan werden. Auch wenn das zu Beginn nur in einem bescheidenen Rahmen geschehen kann, wird eine Gesinnungsänderung eintreten: Nur so wird die Lebensqualität als hoher Wert erkannt und täglich erlebt werden können.
Der Autor ist Unternehmensberater und Leiter des Instituts für Schonwirtschaft. Der erste Beitrag zu diesem Thema wurde in der FURCHE 1111980 veröffentlicht.
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