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Nach uns die Sintflut
Einmal denkt unsere Große Koalition weit voraus - ein ganzes Vierteljahrhundert! Aber nicht um irgendeine Zukunftsvision anzupeilen, nein: Die langfristige Planung dient der Erhaltung des Status quo.
Die Rede ist vom Frauenpensionsalter. Nach langwierigen Verhandlungen um das „Frauenpaket" einigte man sich darauf, daß zunächst einmal 25 Jahre alles beim alten bleibt. Dann wird in den folgenden zehn Jahren das Rentenalter um jeweils sechs Monate angehoben. Das heißt, daß Frauen, die heute 30 Jahre alt sind, wie bisher mit 55 beziehungsweise mit 60 Jahren in Pension gehen können. Erst für Frauen, die jetzt 20 Jahre alt sind, beginnt dann die Zeit, in der sie den Männern gleichgestellt sind: Sie haben mit 65 das Pensionsalter erreicht.
Diese ungemein vorsichtige Anpassungspolitik hat aber den Unwillen der Gewerkschaftsjugend provoziert. Die Fraktionschefs von ÖVP und SPÖ empörten sich in koalitionärer Eintracht, getragen von gewerkschaftlichem Ethos. Nicht bis zum Jahr 2018 sollte die bisherige Regelung beibehalten werden, meinten die Junggewerkschafter; sondern erst ab 2033 dürfte die Angleichung beginnen.
Köstlich war die Begründung der jugendlichen Kampfhähne: Wie kämen die heute 15- bis 20jährigen Frauen dazu, eine solche Last zu tragen, sie seien mit ganz anderen Vorstellungen ins Berufsleben eingetreten...
Mit welcher Selbstverständlichkeit wird hier angenommen, daß sich unser Wirtschafts- und Sozialsystem 40 Jahre lang halten wird. Wie unbeschwert werden 40 Jahre Zukunft als gemächliches Warten auf die Pension interpretiert, um die man sich jetzt schon Sorgen machen muß. Keine Sorgen macht man sich offensichtlich darüber, was in 40 Jahren alles geschehen kann, wieviele Umbrüche und Änderungen von politischen Systemen zum Beispiel die Generation der heute 80jährigen durchmachen mußte und wie unbedarft-frivol es eigentlich ist, so zu agieren.
Die Koalition hat die Politik des Schiebens auf die lange Bank um eine neue Variante bereichert: Man schaut einmal in *die Zukunft, aber mit blindem Blick, um ein Problem nicht lösen zu müssen, das in der Gegenwart unversehens aufgetaucht ist.
25 Jahre sind für einen Politiker eine so lange Zeit, daß keiner, der für diese Entscheidung Verantwortlichen Gefahr läuft, noch aktiv zu sein, wenn es so weit ist.
Was hier als einträchtige Bereitschaft bekundet wird, der Entscheidung eines Höchstgerichtes zu entsprechen, ist in Wahrheit nur die politische Version der Wurstigkeit, daß nach uns die Sintflut kommt.
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