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Randbemerkungen eines engagierten Christen

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Der Autor ist Universitätsassistent, Jahrgang 1939, und war bis 1978 Präsident des Katholischen Familienverbandes Österreichs.

Das Anliegen Demokratie läuft Gefahr, durch die Handhabung (= Manipulation) der Demokratie geschädigt und beschädigt zu werden. Dabei sei hier nicht primär an die immer wieder auftretenden Probleme der „Demokratiehygiene”, wie beispielsweise die Besetzung des Rechnungshofpräsidiums, gedacht, sondern eher an das, was F. A. von Hayek als Vermengung von Recht (jus) und Gesetz (lex) durch das Verfahren bezeichnet und über ein entsprechendes Zweikammernsystem lösen zu können glaubt.

In einer allgemeinen These kann wohl davon ausgegangen werden, daß jede Partei, jede mandatswerbende Person versucht, möglichst viele Stimmen zu erhalten. Diese eindimensionale „Profitmaximie-rung” der Machtwerber hat zum Denken in Wahlterminen als Zeithorizont der Aktivitäten verführt. Ein Ergebnis davon wird als „Kolonialisierung der Zukunft” bezeichnet.

Dieses Schlagwort bringt zum Ausdruck, daß Stimmenwerbung und Stimmenerhaltung zu Lasten der Lebenschancen künftiger Generationen betrieben werden konnte und betrieben wird, ja sogar eine Hinter-uns-die-Sintflut-Mentalität mitfördert. Ein anderes Ergebnis besteht darin, daß diejenigen Interessen durch den Rost fallen, die von Menschen vertreten werden, denen keine wahlentscheidende Bedeutung zugerechnet wird.

Ein Weg aus diesem Teufelskreis liegt in der konsequenten Weiterführung des Prinzips „one man - one vote”. Dabei scheint vielen dieser Grundsatz in Österreich ohnehin bereits verwirklicht, und nur wenigen ist bewußt, daß nahezu ein Drittel der Bevölkerung oder mehr als zwei Millionen Menschen noch immer davon aus-' geschlossen sind: Menschen, für die gerade die politischen Wahlen lebensentscheidend sind, nämlich die minderjährigen Kinder.

Ich bin an Erfahrungen reich über die Reaktion selbst jener, die bis zu diesem letzten Satzteil zustimmend genickt haben. Das Bewußtseinsdefizit ist in der Tat erstaunlich. So selbstverständlich die Tatsache akzeptiert wird, daß die Eltern alle Geschäfte für ihre minderjährigen Kinder besorgen, so unmöglich scheint dies für die politischen Wahlen.

Dabei handelt es sich um ein und dasselbe Problem: Jeder Mensch hat Rechte. Nicht jeder kann diese aber selbst ausüben. Diese selbstverständliche Unterscheidung zwischen Rechtsfähigkeit und Geschäftsfähigkeit findet auch bereits in der geltenden Wahlordnung seinen Niederschlag.

So dürfen behinderte Personen eine Person ihres Vertrauens in die Wahlzelle mitnehmen, die beim Wahlakt behilflich sein kann.

Mit der Ausdehnung des Prinzips „Jedem Menschen eine Stimme” auf unsere Kinder, wird nichts grundsätzlich Neues verlangt. Es geht lediglich darum, anzuerkennen, daß Kinder Menschen und damit Bürger dieses Staates sind, sowie die Tatsache, daß die Eltern als die besten Vertreter ihrer Kinder anzusehen sind. Er-steres wird schwerlich bestritten werden können, zu letzterem gibt es keine vernünftige Alternative, sie wird auch nicht gebraucht.

Was die praktische Verwirklichung betrifft, hat die Kirche wieder einmal Pionierarbeit geleistet, denn in mehreren Diözesen gilt ein derartiges System für die Wahl der Pfarrgemeinderäte bereits. Jeder Elternteil erhält zu seinem Stimmzettel einen zweiten, andersfarbigen für jedes Kind. Letzterer zählt halb, so daß in Summe für jedes Kind eine Stimme zustande kommt.

Natürlich kann ein Elternteil auch zwei Kinderstimmzettel erhalten, was für Alleinerziehende besonders bedeutsam ist. Die bisherigen Erfahrungen lassen keine Probleme erkennen, zeigen jedoch, daß die Eltern eifrig diese Möglichkeit nutzen.

Mit diesem Beitrag sollte das Thema angerissen und keineswegs erschöpfend behandelt werden. Vieles gibt es dazu noch zu sagen, sowohl in kritischer als auch in unterstützender Hinsicht. Eines muß hier abschließend noch festgehalten werden, nämlich die gesellschaftsstrukturelle Situation heute:

In einem Drittel der Haushalte leben ca. drei Viertel der Kinder. Oder: Eine Minderheit an Wahlberechtigten sorgt für die große Mehrheit der Kinder!

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