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Eine der schwersten Belastungen der Zusammenarbeit der politischen Parteien im Bundeslaryi Salzburg, die von freiheitlicher Seite zur „innenpolitisch verzwicktesten Situation seit der Selbstausschaltung des Parlamentes im Jahr 1933“ emporpolemisiert wurde, hat mit der Sitzung des Salzburger Landtages vom 16. 2. 1975 ihren vorläufigen Höhepunkt erreicht. Ein noch nie dagewesener Vertragsbruch duirdh die FPÖ bei der Bürgermeisterwahl in der Gemeinde St. Michael hatte zu einem Mehrheitsbeschluß der absoluten ÖVP-Mehrheit in der Salzburger Landesregierung über die Auflösung der Gemeindevertretung von Sankt

Michael im Lungau’ geführt. Die darauf von Sozialisten und Freiheitlichen gegen den Salzburger Landeshauptmann Lechner geführten Angriffe in der Öffentlichkeit ließen an Polemik und Schmutzwäsche nichts mehr zu wünschen übrig.

Dazu die Vorgeschichte: Aus den Gemeinderatswahlen im Land Salzburg vom 10. Oktober 1974 war die ÖVP in St. Michael um ein Mandat gestärkt hervorgegangen (8 SP, 7 VP, 4 FP). In gar nicht schwierigen Verhandlungen erklärte säch die FPÖ bald bereit, den ÖVP-Kandidaten zum Bürgermeister zu wählen. Über diese Absicht wurde ein schriftlicher Vertrag verfaßt, den alle entschei denden Mandatare und Funktionäre beider Fraktionen Unterzeichneten. Groß war jedoch die Überraschung und Enttäuschung der ÖVP, als bei der entscheidenden Sitzung des Gemeinderates der FPÖ-Spitzenkandi- dat, der selbst den Vertrag mit der ÖVP unterschrieben hatte, mit den Stimmen der SPÖ und zwei weiteren freiheitlichen Stimmen zum Bürgermeister gekürt wurde. Der FPÖ- Ortsparteiobmann trat daraufhin sofort aus Protest gegen das Verhalten seiner Kameraden von dieser Funktion zurück und aus der FPÖ aus.

Nach längerem Zögern entschloß sich die gesamte ÖVP-Liste zum Rücktritt, wodurch die Gemeindevertretung von St. Michael nicht mehr (wie im Gesetz vorgeschrieben) aus 19, sondern nur mehr aus 12 Mitgliedern und somit ungenügend zusammengesetzt war. Diese Tatsache veranlaßte Landesvater Lechner, den Antrag auf Auflösung der Gemeindevertretung zu stellen und dem Wähler selbst die Möglichkeit zur Lösung der verfahrenen Situation zu geben: abgesehen von einigen taktischen Unschönheiten des Lan- desoberhauptes war das die wohl einzig vertretbare Lösung.

Da SPÖ und FPÖ keinerlei Interesse an einer Neuwahl hatten, wurde der Beschluß zur Auflösung des Gemeinderates von St. Michael mit den Stimmen der ÖVP-Mehrheit gefaßt, womit ein Kesseltreiben vor allem der Freiheitlichen gegen Landes- hauptman Lechner in der Öffent lichkeit einsetzte. „Parteipolitischer Willkürakt“, „Machtmißbrauch“, „Gefährdung der Gemeindeautonomie und der Demokratie“ waren noch die harmlosesten Vorwürfe, wobei geflissentlich übersehen wurde, daß eine Neuwahl in St. Michael für die ÖVP keinerlei bessere Situation, geschweige denn den Bürgermeister bringen würde. Landeshauptmann Lechner ging es nur, wie er beteuerte, um die „Erhaltung der politischen Sauberkeit“ im Lande.

Angesagte Revolutionen finden bekanntlich nicht statt. Der von den Freiheitlichen gegen den Landeshauptmann angekündigte Mißtrauensantrag im Salzburger Landtag blieb aus, die vierstündige Diskussion zu den dringlichen Anfragen der SPÖ und FPÖ endete wie das bekannte „Hornberger Schießen“ und brachte nur die Übereinstimmung zwischen ÖVP’ und SPÖ, daß die Salzburger Gemeindeordnung so zu ändern sei, daß ähnliche Vorfälle wie in St. Michael nicht mehr passieren könnten.

Jede7 solche Änderung trifft letzten Endes nur die Freiheitlichen, was sich durch die Eskalierung des Falles wohl auch diesmal neuerlich manifestierte.

Vorerst bleibt jedoch nichts zu tun, als das Ergebnis der Untersuchung des von der FPÖ angerufenen Verfassunigsgerichtshofes abzuwarten.

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