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Schatten des Marxismus

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„Was sich in Wien derzeit abspielt, ist für mich heller Wahnsinn. Die Partei in Wien steht in der Tat vor einer Existenzkrise. " Ö VP-Klubobmann Heinrich Neisser nimmt sich in einem FURCHE-Interview (Seite 4) kein Blatt vor den Mund. Für ihn ist Heinrich Wille, „von all den Kandidaten, die bisher ins Spiel gebracht worden sind, die weitaus beste Lösung" als künftiger Obmann der Wiener Volkspartei.

Im Zusammenhang mit der ÖVP-Reform wird nach Meinung des Klubobmannes die Frage der Bünde „eher hochstilisiert". Obwohl er ein überzeugter Verfechter des Föderalismus sei, registriere er in den letzten Jahren besorgt eine zentrifugale Entwicklung in der ÖVP. Den Landesparteien sei „in jedem Fall das Hemd näher als der Rock" der Bundespartei.

Die christliche Gewerkschaftsbewegung darf sich auf eine neunzigjährige Tradition berufen. Den wesentlichen Anstoß zur Gründung von Vereinigungen zwecks Durchsetzung von Arbeitnehmerinteressen aus christlicher Sicht lieferte die 1891 publizierte Enzyklika „Rerum Novarum“ von Papst Leo XIII. In ihr wurde erstmals von Seiten der Amtskirche eine Alternative zum Klassenkampf-Modell des Marxismus angeboten.

1892 gründete der blutjunge Leopold Kunschak in Wien den Christlichsozialen Arbeiterverein; er wurde zum Vorbild für viele Organisationen von Arbeitnehmern, die ihr Los auf christlicher Grundlage verbessern wollten.

Eine Koordination der Aktivitäten erwies sich bald als unerläßlich. 1902 wurde der Reichsverband der nichtpolitischen Vereinigungen christlicher Arbeiter Österreichs ins Leben gerufen, 1907 trafen sich die christlichen Gewerkschaften zur ersten Konferenz, bei der auch die Schaffung einer Koordinationsstelle zwischen christlichen Gewerkschaften und Arbeitervereinen ins Auge gefaßt wurde.

1909 fand der 1. Kongreß dieser Zentralkommission der christlichen Gewerkschaften Österreichs statt. Zu ihrem Vorsitzenden wählten die Delegierten Franz Spalowsky.

Auch nach der Gründung der Republik standen die Christgewerkschafter im Schatten der sozialistischen Freien Gewerkschaften, was sich auch bei den ersten Arbeiterkammerwahlen 1921 zeigte. Immerhin konnten die christlichen Gewerkschaften 1928 ihr lOO.OOOstes Mitglied begrüßen.

In den stürmischen Jahren gegen Ende der Ersten Republik gerieten die Christgewerkschafter zwischen die Fronten. Auf der einen Seite kämpften sie mit den sozialistischen Freien Gewerkschaften um menschenwürdige Arbeitsbedingungen, gerechte Löhne und soziale Absicherung gegen die von der christlich-sozialen Partei dominierte Regierung.

Auf der anderen Seite standen sie gemeinsam mit den Christlich-Sozialen im Gegensatz zu austro-marxistischen Gesellschaftszielen.

Nach dem Bürgerkrieg von 1934 wurden die Freien Gewerkschaften verboten. Und in der ständestaatlichen Verfassung von Bundeskanzler Engelbert Dollfuß ging auch die christliche Gewerkschaftsbewegung im Gewerkschaftsbund der österreichischen Arbeiter und Angestellten auf.

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