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Vorrechte -kein Vorrecht der Politiker

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Den Politikerprivilegien soll der Garaus gemacht werden, diese Woche noch, und der Androsch giftet sich schon sehr, hört man. Die p. t. Staatsbürger seien rechtzeitig darum gebeten, es dem Finanzminister gleichzutun. Sie werden nämlich voraussichtlich an der Nase herumgeführt werden.

Es gibt gewiß Wichtigeres als Privilegienkosmetik. Aber zweifellos hat der sich offenbar vergrößernde Abstand zwischen vielen Politikern und dem Wählervolk am Unmutsvotum des 5. November, und hier wieder vor allem bei jugendlichen Wählern, einen gewissen Anteil gehabt. Insofern hat Bundeskanzler Kreisky mit der Beanspruchung seiner ominösen Generalvollmacht für ein Privile-gienabbaugesetz noch einmal einen gewissen politischen Instinkt gezeigt.

Die vordergründige Konzentration auf den „Fall Androsch“ sollte freilich die Gesetzgeber nicht dazu verleiten, eine eng auf diesen zugestutzte Lex Androsch zu basteln. Wenn man das Problem ernsthaft angehen und wirklich dem Abbau unverdienter Vorrechte (immerhin Inbegriff der republikanischen Staatsidee) in Angriff nehmen will, muß man es grundsätzlich und umfassend tun.

Sicher ist es überfällig, den Gehaltsvorteil der zu Abgeordneten gewordenen öffentlich Bediensteten und damit deren Vorherrschaft in den parlamentarischen Gremien einzudämmen. Aber man würde dieses Ziel erneut verfehlen, schüttete man mit dem Androsch-Bad das Selbstän-digen-Kind aus: Soll ein Arzt als Minister nicht mehr Blinddärme operieren oder ein Bauer als Minister nicht mehr ackern dürfen?

Auch soll sicher keiner einen beruflichen Schaden leiden, wenn er aus den luftigen Höhen der Kabinettspolitik wieder auf dem steinigen Boden der Berufsrealität landet. Aber muß die schlichte Rückkehr auf den dereinst verlassenen Sessel zun! raren Heldenakt der Drimmel-, Piffl- und Schmitz-Typen, die Versorgung mit fetten Pfründen aber zum Regelfall werden?

Es ist sicher sehr heikel, sinnvolle Unvereinbarkeitsbestimmungen zu formulieren - mit sinnlosen aber ist niemandem gedient. Und gar nicht angerührt wird ein Kapitel, das insgesamt viel ärgerniserregender sein kann: die Tatsache etwa, daß interessierte Baubranchevertreter in vielen hunderten Gemeinderäten Österreichs sitzen und sich dort goldene Aufträge für Schul-, Büro-, Straßen-und undere Bauten zuschanzen (und Konkurrenten davon ausschließen) können.

Davon wird derzeit überhaupt nicht geredet. Und von der Tatsache, daß auch ein Eisenbahner privilegiert ist, der mit 52 Jahren mit vollem Ruhegenußanspruch in Pension geht, auch nur vereinzelt. Warum schweigt die Gewerkschaft der Kranführer und Hochofenarbeiter, die alle frühestens mit 60 pensionsreif sind, zu solcher Ungerechtigkeit? Etwa deshalb, weil auch das Sammeln von dicken Aufsichtsratspositionen, das nicht nur von kapitalistischen Wirt-schaftskapitänen, sondern ganz erheblich auch von machthungrigen Gewerkschaftskarrieristen praktiziert wird, unter allerlei Arten von Unvereinbarkeit zu fallen hätte?

Warten wir ab, was kommt. Ob es gut ist, wird man erst sehen, wenn sich gezeigt hat, wer geht.

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