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Warnung

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Im Grenzstädtchen

Komärno kam es am 17. August 1968 zu einer Begegnung zwischen dem ungarischen Parteichef Janos Kdddr und dem Ersten Sekretär der Kommunistischen Partei der CSSR, Alexander Dubcek. Ganz zum Schluß, beim A b-schied auf dem Bahnsteig, fragte Kdddr ,Jast verzweifelt“: „Wißt ihr denn wirklich nicht, mit wem ihr es zu tun habt?“

Drei Tage später marschierten die Truppen des Warschauer Paktes in der CSSR ein. Kdddr hatte Dub-öek warnen wollen.

Diese Szene schildert der einstige Sekretär des Zentralkomitees der KPC, Zdenek Mlyndf in seinem Erinnerungsbuch , JVachtfrost“. Es hat den Untertitel Erfahrungen auf dem Weg vom realen zum menschlichen Sozialismus“. Zdenek Mlyndf lebt heute in Wien. 20 Jahre ist es jetzt her — und niemand wollte es glauben, als damals sowjetische Panzer die Hoffnung eines winzigen Teiles der Menschheit zerstörten, als die Illusion einer Freiheit starb, die einige Monate dauerte und ,J?rager Frühling“ genannt wurde.

Stellvertretend für viele andere, die später ihre Heimat verlassen mußten, erzählt Mlyndf auch, was dieser Einmarsch für eine Generation von Politikern bedeutete, die geglaubt hatten, mit Reformen den Kommunismus retten zu können: Es war der Zusammenbruch alles dessen, wofür sie Jahre ihres Lebens geopfert hatten, „der Untergang des letzten Programms“, das sie für ihr politisches Engagement gefunden hatten.

Der einstige ZK-Sekretär berichtet auch über ein Zusammentreffen mit dem sowjetischen Marschall Gretschko, dem er ins Gesicht sagte, die sowjetische Armee sei in der Tschechoslowakei ideologisch zersetzt worden. Der Marschall antwortete selbstsicher und wütend: ,JDas macht nichts. Wenn sie sich zersetzt, werden wir sie austauschen. Ich kann sie zehnmal austauschen.“

Manche der sowjetischen Soldaten meinten damals übrigens, sie seien in Westdeutschland oder gar in Israel ...

Vielleicht waren es solche Erfahrungen, .die Zdenek Mlyndf plötzlich ganz deutlich erkennen ließen, daß es nach dieser militärischen Intervention völlig widersinnig war, noch an die Möglichkeit politischer Reformen zu glauben.

Manche Prager Reformer mögen sich jetzt durch Gorbatschows Kurs nachträglich gerechtfertigt fühlen. Das ist nicht nur ein schwacher Trost, sondern wahrscheinlich auch ein Irrtum: So weit, wie dieser ,J?rager Frühling“ gediehen war, wird Gorbatschow nie kommen wollen.

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