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Was Dubcek alles falsch machte

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Keiner der führenden Sprecher der tschechischen Bürgerrechtsgruppe, die sich in der „Charta 77“ an die Welt außerhalb des Ostblockes gewandt haben, glaubt an die Wiederkehr eines „Prager Frühlings“, wie ihn die CS SR 1968 während einiger Monate erlebt hatte: Denn ohne eine tiefgreifende Veränderung des politischen Regimes in Moskau werde in der Tschechoslowakei niemals mehr eine „sozialistische Bewegung mit menschlichem Antlitz“ entstehen. Und eine solche Veränderung sei frühestens in zehn Jahren zu erwarten.

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Keiner der führenden Sprecher der tschechischen Bürgerrechtsgruppe, die sich in der „Charta 77“ an die Welt außerhalb des Ostblockes gewandt haben, glaubt an die Wiederkehr eines „Prager Frühlings“, wie ihn die CS SR 1968 während einiger Monate erlebt hatte: Denn ohne eine tiefgreifende Veränderung des politischen Regimes in Moskau werde in der Tschechoslowakei niemals mehr eine „sozialistische Bewegung mit menschlichem Antlitz“ entstehen. Und eine solche Veränderung sei frühestens in zehn Jahren zu erwarten.

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Nicht alle Meinungsäußerungen, die man auf einem kürzlich abgehaltenen schwedisch-norwegischen Seminar führender Vertreter der „Charta 77“ in Oslo und Larkollen hören konnte, wurde in so konzentrierter Form abgegeben, inhalüich aber wurden sie so gut wie von allen Teilnehmern vertreten. Es dürfte das repräsentativste Treffen dieser Führungsgruppe gewesen sein, das jemals außerhalb der CSSR stattgefunden hat.

Das Seminar war von der norwegischen Arbeiterpartei finanziert worden, die in der letzten Zeit für die Wünsche tschechischer Exilpolitiker ein sehr offenes Ohr zeigte. Zu den Teilnehmern gehörten unter anderem Jiri Pelikan, früherer Chef des Tschechoslowakischen Fernsehens, Zdenek Mlynär, ehemaliger Parteisekretär unter Dub5ek, Zdenek Hejzlar, früherer Vorsitzender im kommunistischen Jugendverband und Mitglied des Zen-tralkomittees der KPC (er lebt heute in Schweden und ist eng mit dem schwedischen Internationalen Institut verbunden), weiters Adolf Müller, ehemaliger Diplomat, jetzt Professor in Münster, und so mancher andere, der zur damaligen zweiten und dritten Führungsgarnitur der tschechischen Kommunisten gezählt werden konnte.

Die Tschechoslowakei vor und nach dem 21. August 1968 (dem Tag des Einmarsches“da* Ostblockstaaten m der CSSR) - das seien ^zwei verggjiie-dene Weiten gewesen. Heute seien viele der Meinung, daß man sich in diesen Augusttagen mit allen Mitteln hätte zur Wehr setzen müssen; damals sei es nur eine Minderheit des Volkes gewesen, die einen militärischen Widerstand befürwortet habe.

Die internationale Situation, die 1968 geherrscht habe, sei von den führenden Leuten des „Prager Frühlings“ niemals begriffen worden: „Irreführende Analysen dieser Situation - in denen bewußt unterdrückt wurde, was man nicht wahr haben wollte - verführten die damaligen Politiker zu einer falschen Handlungsweise, die man auch dann nicht korrigierte, als noch Zeit dafür war“, so lautete die bittere Erkenntnis der Teilnehmer dieses Seminars. Undweiter:„Dub2ekhatte zwei Möglichkeiten, den Einmarsch und seine deprimierenden Folgen für die Demokratisierungsbestrebungen zu verhindern. Er hat beide verpaßt!“

Uber diese Feststellung hinaus gaben die Exilpolitiker ihrer Uberzeugung Ausdruck, daß die Sowjetunion bei Einleitung ihrer militärischen Aktion davon überzeugt gewesen sei, daß diese zu keinem bewaffneten Widerstand und auch zu keiner ernstzuneh-

menden Gegenaktion des Westens führen würde. Hätte die Gefahr einer „Vietnamisierung der Entwicklung“ bestanden, dann hätte die UdSSR niemals eingegriffen! Davon sind die jetzigen tschechischen Gegner der Kreml-Politik überzeugt! Zu dieser für den „Prager Frühling“ so ungünstigen Situation habe auch die Unterlassung des Dubeek-Regimes beigetragen, sich diplomatische Unterstützung bei anderen kommunistischen Ländern (Rumänien, Jugoslawien, China), zu verschaffen.

Bemerkenswert war der für die politische Öffentlichkeit bestimmte Hinweis, daß man sich durch das Verstummen früherer hervorragender Charta-Vertreter nicht verwirren lassen solle: Nach dieser Führungsgarnitur stünde eine zweite und dritte bereit, die die Ideen des „Prager Frühlings“ am Leben erhalten werden, wenn auch weiterhin ohne den Einsatz radikaler Mittel. j

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