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Wem gehört das rote Käppchen?
Heute kann man kein Märchen mehr als solches erzählen. Es gehört umgeschrieben, zu einer Horrorgeschichte oder einem Krimi. Noch besser zu einem Grimmi, wie folgendes Beispiel:
Inspektor Tim Foerster kam mitten im Walde an einem Bungalow vorbei. Da hörte er gar seltsame Geräusche. Durchs Fenster erblickte er drinnen einen Wolf, auf Großmutter geschminkt, im Bett schlafend. Das erste Rätsel war gelöst: das Geräusch war Schnarchen.
T. F. betrat das Zimmer. Unterm Bett wurde er eines schäbigen roten Käppchens gewahr. Er schüttelte den Bösewicht wach und sprach zu ihm: „Ei, Großmutter, was hast du für große Ohren!" Das Monster erwiderte: „Weil ich es faustdick dahinter habe!" Tim hielt sich an seinen Text: „Ei, Großmutter, was hast du für große Augen!" „Damit ich mit einem blauen davonkomme!" entgegnete der Wolf. Der Inspektor beendete das Verhör und schlitzte dem alten Ganoven den Bauch auf. Und siehe da -
wer sprang heraus? Überhaupt niemand.
Nun knüpfte sich T. F. die Tiere des Waldes vor. Die Hauptverdächtigen waren: Der Fuchs, der sich besonders schlau als erster meldete, alles auszusagen, was er wußte. Nichts wußte er. Das Rehlein, das eine auffallende Nervosität zeigte.-Warum lief es gleich weg? Das Eichhörnchen versuchte von sich abzulenken und rief: „Gehen Sie zum Kuckuck!"
Genau von dem kam das erste Geständnis. Auf die Frage, wer denn der Täter sei, antwortete der Kuckuck mit seinem Namen!
Da vernahm der Detektiv im Dik-kicht das Geräusch von Blumensammeln. Am Werk war - Rotkäppchen! Irrtum ausgeschlossen, das Mädchen trug einen Korb und die Berufskleidung, das rote Käppchen. T. F. sagte nur: „Großmutter, du bist verhaftet!"
Er hatte recht. Die Blumensammlerin war die Großmutter, die sich als ihr eigenes Opfer getarnt hatte. Wie Tim dahintergekommen war? Die Tracht, welche Oma trug, war funkelnagelneu, blitzblank und sauber. Laut Originalversion aber trug die Märchenheldin tagaus-tagein das namensgebende rote Käppchen; dieses mußte also abgenutzt und schmutzig sein, wie jenes unter dem Wolfsbett.
Das Tatmotiv schälte der Gerichtspsychiater in seinem Gutachten heraus. Darin hieß es unter anderem:
Rotkäppchen pflegte der Angeklagten nebst Kuchen und Wein auch Märchenbücher mitzubringen. Die darin enthaltenen Scheußlichkeiten riefen in der Großmutter die Sehnsucht wach, ebenfalls etwas Fürchterliches zu begehen."
Und wenn sie nicht gestorben sind, so leben Tim Foerster, Colombo, Derrick, Hunter und Kollegen, noch heute. Sogar morgen, solange die Fernseheinschaltziffern stimmen.
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