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Wenn es so einfach war'

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„Eine Patendlösung wäre... also eine Lösung, die so patent ist, daß sie nicht nur das Problem, sondern auch alles damit Zusammenhängende aus der Welt schafft — etwa im Sinne des alten Medizinerwitzes: Operation erfolgreich, Patient tot.“

So steht es in den ersten Zeilen des neuen Buches von Paul Watzlawick, und er will damit jene Sucht des Menschen beschreiben, die nach immer perfekteren und immer endgültigeren Lösungen sucht, um sich dabei letztlich doch nur in immer wieder neuen Irrwegen wiederzufinden. Unter anderem hat dieses Paradoxon damit zu tun, daß der Mensch scheinbar glaubt: „immer größer“ bedeute auch „immer besser“. Jede einmal erdachte und als gut befundene Lösung wird solange ins Gigantomanische vergrößert und vergröbert, bis das schiere Gegenteil dessen erreicht ist, was ursprünglich angestrebt worden war.

Watzlawick, einer der Begründer des modernen Konstruktivismus, geht von der Annahme aus, daß die Menschen die sie umgebende Wirklichkeit mit den Mitteln ihres Bewußtseins selbst geschaffen haben. Ein klassisches Beispiel dafür wäre etwa das Verhalten der Baader-Meinhof-Bande. Aufgrund ihrer falschen Analyse der Gesellschaft als einer faschistischen wandten sie Methoden an, die zur Bekämpfung einer faschistischen Gesellschaft vielleicht berechtigt wären. Als daraufhin der Staatsapparat der demokratischen' Gesellschaft begann, sich zur Wehr zu setzen, sahen die Terroristen sich prompt in ihrer Theorie—nämlich mitten im Faschismus zu leben — bestätigt Sie hatten sich ihre eigene, faschistische Wirklichkeit inmitten einer demokratischen Gesellschaft herbeigebombt.

Im wesentlichen funktionieren — nach Watzlawick — alle Ideologien nach diesem Schema. Zumeist rufen sie jene Umstände hervor, die zu bekämpfen sie angetreten sind. So hatte die „überschwengliche Verehrung des Weiblichen im Marienkult und im Minnedienst als grausigen Weggenossen die Hexenverbrennungen; die Ideale der Französischen Revolution machten die Einführung der Guillotine notwendig; auf den Schah folgte der Ayatollah; auf die Somozas die Sandini-stas“.

Watzlawick führt witzige Beweise für seine Theorie an, wenngleich er manchmal doch etwas zu sehr im Banalen steckenbleibt. Und zu seinen Lösungsvorschlägen muß bemerkt werden, daß sie eher Alibicharakter haben, als ernsthafte Auswege aufzeigen zu können (was aber vielleicht wiederum Watzlawicks Theorien entsprechen würde, wer weiß?!).

Denjenigen, die sich mit Watzlawicks Hypothesen eingehend beschäftigen wollen, ist daher eher sein schon vor einigen Jahren erschienenes Buch „Wie wirklich ist die Wirklichkeit“ zu empfehlen. Die vorliegende neue Studie ist sowohl nach Inhalt als auch nach Umfang etwas dünn geraten — obgleich der Verlag versuchte, durch das Umrahmen jeder Seite die Arbeit optisch zu „strecken“. Um es unumwunden auszusprechen: Das Werk befleißigt sich einer Oberflächlichkeit, die durch den populärwissenschaftlichen Charakter in keiner Weise gerechtfertigt ist. Ein leider zu trivial geratenes Buch für alle jene, denen Großtechnologie und alleinseligmachende Ideologien schon immer zwielichtig erschienen sind.

VOM SCHLECHTEN DES GUTEN ODER HEKATES LOSUNGEN. Von Paul Watzlawick. Piper-Verlag, München 1986.124 Seiten.

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