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Wie wachsen?

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Schon vor der Tagung des „Club of Rome“ in Salzburg sprach die FURCHE von einem „Club of Lefts“ und wies darauf hin, daß ausschließlich linke Politiker von den Organisatoren der Konferenz eingeladen worden waren. Anderseits erklärte Bundeskanzler Kreisky — der selbst den Klub nach Salzburg eingeladen hatte, sich aber gleichzeitig in einem für ihn so charakteristischen Balanceakte davon distanzierte —, die Thesen des „Club of Rome“ erschienen ihm als „eine Art von NeoKonservatismus“. In der gleichen Front nahm aber auch die Industriellenvereinigung Aufstellung, die vor Konferenzbeginn in einer Presseaussendung entschieden die Thesen des „Clubs“ ablehnte.

Anderswo gehen die Fronten gleichfalls quer durch die Parteien. Der holländische Sozialist Sicco Mansholt ist ein passionierter Advokat der „Club-of-Rome“-Thesen auf EWG-Parkett, während anderseits der linke Ideologe Galtung den Vorwurf, es handle sich dabei um konservative Machinationen, mit besonderer Vehemenz erhebt. Auch die Gewerkschaften sind entschieden ablehnend, ebenso die Internationale Paneuropa-Union mit Dr. Habsburg an der Spitze.

Was sind die Mitglieder des „Club of Rome“ nun wirklich, Sozialisten oder Konservative? Aber sind hier diese traditionellen Kategorien überhaupt noch anwendbar? Die Frage, ob sich die Menschheit ein weiteres Wachstum — Ökonom misch und demographisch — überhaupt noch leisten könne oder, ob mit mehr oder minder großem Nachdruck ein „Nullwachstum“ durchgesetzt werden muß, kann nur überparteilich oder gar nicht beantwortet werden.

Für die Unternehmerseite ist das „Gerede vom Nullwachstum“ nur eine sozialistische Intrige, um die Marktwirtschaft zu beseitigen, den totalen Dirigismus einzuführen, um zu enteignen und umzuverteilen, während die Sozialisten wieder einen Anschlag der Kapitalisten gegen den Massenwohlstand zwecks Erhöhung der eigenen Profite vermuten.

Der Witz bei der ganzen Sache ist, daß in beiden Versionen ein realer Kern steckt: Natürlich versuchen die Sozialisten das Wasser der Wachstumskritik auf ihre Mühlen zu lenken. Die linken Politstars bei der Salzburger Konferenz brillierten dementsprechend darin, vom Debakel des kapitalistischen Wirtschaftssystems zu sprechen und den Sozialismus als Allheilmittel anzupreisen — ungeachtet dessen, daß dieser bisher den Beweis für seine Qualitäten als besserer Problem-löser schuldig geblieben ist.

Die „Kapitalisten“ reden zwar weniger, aber manche von ihnen verstehen es sehr wohl, kritische Situationen zu Weltuntergangspsychosen anzuheizen und auf diese Art recht massive Profite einzustreichen. Man denke nur an die multinationalen ölgesellschaften und ihre nicht ganz geklärte Rolle während des tatsächlichen oder fingierten arabischen Erdöl-Lieferstopps.

Wem immer nun die Wachstumskritik dienen mag, fest steht, daß sich in Salzburg ausschließlich linke Prominente — und solche, die zu ihnen gehören wollen — versammelten, um dort lautstark sum Fenster hinauszureden und um. während sie selbst einen Luxus auf Kosten des österreichischen Steuerzahlers genossen, heftig gegen die Verschwendung zu polemisieren.

Ob freilich der „Club of Rome“ mit den Resultaten der Tagung zufrieden sein kann, ist: eine andere Frage. Die „gemeinsam erarbeitete“ Schlußresolution wurde jedenfalls von den anwesenden und im übrigen so redseligen Staats- und Regierungschefs nicht einmal unterschrieben. Sie soll nun den Vereinten Nationen zugeleitet werden, dem gleichen Forum, das nicht imstande ist, sich über Maßnahmen gegen den internationalen Terrorismus zu einigen. Mit welch atemberaubendem Tempo von der UNO die Salzburger Resolution realisiert werden wird, kann man sich auch ohne viel Phantasie unschwer vorstellen.

Die ganze Veranstaltung erwies sich als eine Konferenz des „Vorbeiredens“. Mit Wachstumsbeschränkungen waren alle einverstanden — solange sie die andern und nicht sie selbst betrafen.

Mexikos Präsident Echeverria forderte eine Charta der Rechte und Pflichten aller Nationen; vortrefflich fürwahr, aber wie durchzuführen, wenn mindestens drei Viertel der Nationen dieser Welt für sich nur Rechte beanspruchen, für die anderen hingegen nur Pflichten wünschen? Andere Delegierte verlangten wieder steigende Rohstoff- und stabile Finalproduktenpreise — ein nationalökonomisches Kunststück, welches bisher noch niemand fertiggebracht hat und wofür auch in Salzburg kein Rezept geliefert wurde.

Vom eigentlichen Problem sprach man bestenfalls nebenbei. Denn nicht Wachstumsstopp, sondern richtig gesteuertes Wachstum Ist die Aufgabe für die nächsten Jahrzehnte. Davon war aber herzlich wenig zu hören. Es fragt sich, ob nicht mit weniger Konferenzen und Prominenzen, dafür aber mit mehr exakter wissenschaftlicher Arbeit der Sache besser gedient wäre.

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