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Wir müssen das Zuhören lernen!
Die alternative „Szene" oder „Kultur" ist in den Blickpunkt der Öffentlichkeit geraten. Alternativszene im engeren Sinn meint möglichst autonome Lebens- und Arbeitsmodelle, ein von der übrigen Gesellschaft relativ abgeschlossenes, weitgehend autarkes Milieu.
Es handelt sich dabei um mehr als den Ausdruck einer bestimmten Mode jugendlicher Subkultur. Elemente der Alternativmentalität finden sich in breiteren Bevölkerungskreisen. Mit dem Wohlstand verschieben sich die Sorgen der Menschen. Die Antwort auf die Sinnfrage wird wieder außerhalb der materiellen Existenz gesucht.
Es wächst die Sehnsucht, die eigene Identität zu wahren gegenüber einer zunehmend als bedrohlich und unüberschaubar empfundenen Eigendynamik eines rasanten Fortschrittes — und der Wunsch, sich zu befreien aus einer nach dem Prinzip ökonomisch-technischer Planung und Perfektionierung eingerichteten, zwanghaft erlebten Welt, in der nur noch das „Funktionieren" zu zählen scheint.
Die vielen Jugendunruhen ma-
chen deutlich, daß es der Jugend an Werten fehlt, an denen sie sich orientieren kann. Die Erwachsenenwelt scheint ihr trotz Wohlstand nur Zukunftsängste und Resignation bieten zu können. Die Abwendung, der. Ausstieg" aus der Gesellschaft, erfolgte auf langen Wegen, für die oft Ohnmachtserfahrungen hinsichtlich Änderungsmöglichkeiten bestimmend waren.
In der Jugend spiegeln sich die Mängel unserer Gesellschaft. Das Verhalten eines Teils der Jugend ist ein Alarmsignal, es zeigt, was an Verbitterung, Wut, an Wünschen und Bedürfnissen vorherrscht; Wut, die sich zuweilen selbst in Gewaltakten entlädt. Das muß zum Nachdenken zwingen und stellt eine Herausforderung für die Politik dar.
Alternativkultur drückt die Sehnsucht nach einer menschlicheren Welt aus; ihre Existenz ist zurückzuführen auf politisches Ungenügen, auf Unsensibilität und Starrheit, die politischen Voraussetzungen für die Erreichung dieser Ziele zu schaffen.
Die vielgesichtige Alternativbewegung problematisiert die von der Gesellschaft verdrängten' Fragen und ungelösten Probleme und ist oft Ausdruck einer Suche nach Sinnorientierungen. Ihre Antworten mögen falsch sein, ihr Anspruch mitunter anmaßend. Nicht alles ist gut, nur weil es alternativ ist und sich gegen „Etabliertes" wendet.
Wenn aber Wertbezogenheit und Sinnhaftigkeit des Politischen ausfallen, führt dies zu Resignation, Rückzug und Protest.
Mehr Glaubwürdigkeit und Wahrhaftigkeit in der Politik würde viele davon abhalten, zu „Aussteigern" zu werden.
Es geht heute darum, den offenen Dialog unter den Generationen zu führen. Wir alle haben die Aufgabe, Sprachlosigkeit zu überwinden, mehr zu hören als zu reden, uns der Einsicht in die eigenen Fehler zu öffnen, uns nicht zu verschanzen gegen ungewohnte und fremde Gedanken.
Das Gespräch ist aber nur möglich, wenn jeder dem anderen zuhört, ohne die eigene Anschauung zu verschweigen, ohne Unterschiede zu leugnen. Politik, muß deutlich machen, daß es ohne das solidarische Mithelfen nicht geht und ein solches auch ermöglichen.
Gefordert ist eine Politik nach menschlichem Maß. Nur wenn ein Dialog offen und ehrlich geführt wird, kann das Ergebnis zum Nutzen der gesellschaftlichen Weiterentwicklung sein; Und nur über den Dialog kann eine Eskalierung der Gewalt verhindert werden. Hören wir zu?
Der Verfasser ist Angestellter in Klagenfurt.
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