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Worms erinnert sich

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Die Festwochen zum 950. Todestag von Bischof Burchard, dem Erbauer des Doms, begannen mit der Ausstellung „Wormatia Sacra“ im Andreasstift. Wer in der Schule das frühe Mittelalter versäumt hat, sei daran erinnert, daß Burchard von Kaiser Otto III. das Bischofsamt im Jahre 1000 erhielt. Kaiser Heinrich II. war übrigens bei der Einweihung des Dom-Neubaus anwesend, von dessen damaligem Zustond noch immer erhalten gebliebene Teile zeugen. Als bedeutendstes Erbe hinterließ Burchard den Grundriß des heutigen

Domes, der bei Dehio-Gall die folgende Charakterisierung findet: „Unter den romanischen Domen der kleinste, aber durch Wucht und Fülle der Formen und Einheitlichkeit der Gesamterscheinung ein Hauptbeispiel des romanischen Stils“. Als Bauherr hinterließ Burchard neben dem Dom auch die erneuerten Pfarrkirchen von St. Paulus, St. Martin und St. Andreas, die ebenfalls noch das heutige Stadtbild mitbestimmen.

In der wechselvollen Geschichte des geistlichen Worms stellt das Jahr 2689 sozusagen das Cannae dar. Während des Pfälzischen Erbfolgekrieges sind bei einem Stadtbrand fast alle Zeugnisse aus der Zeit Burchards zerstört worden, auch der Reliquienschrein auf dem Hochaltar des Doms. Mit der Auflösung des fast 1500 Jahre alten Bistums Worms und dem Niedergang der Reichsstadt begann der große Ausverkauf. Klöster, Kirchen und Altäre gerieten unter den Hammer.

Viele der schönsten Ausstellungsstücke mußten deshalb ausgeliehen werden. Eine Handschrift von 852 gehört längst der Nationalbibliothek in Wien, ein Wormser Sakramentar aus dem 9.110. Jahrhundert kam aus der Arsenalbibliothek in Paris, ein Ambrosius-Kommentar zum Evangelisten Lukas aus dem Besitz der Vatikanischen Bibliothek in Rom. Als Zeugnisse profaner bürokratischer Tätigkeit wären die Bände der Sitzungsprotokolle des Wormser Domstifts zu nennen, die im Hessischen Staatsdrehiv Darmstadt gehütet werden. Alle diese Schätze waren einst im Besitz der Stadt Worms...

Zu den eindrucksvollsten Objekten zählen: Ein schlichter hohenstaufi-scher Kruzifixus, der den Dombrand überdauerte, zwei um 1220 entstandene Altarflügel, Monstranzen, Meßgewänder und Chormäntel, darunter einer mit Jesus am Kreuz, ein zweiter mit silbernem, reliefartigem Opferlamm. Aus dem Grab des im Dom beigesetzten Bischofs Konrad II., gestorben 1192, sind ebenso Funde erhalten wie aus den Saliergräbern. Zahlreiche wertvolle Handschriften sind ausgestellt, so das Wormser Missale von 1522, einBreviarium von 1420, Verträge und Urkunden, mit Siegeln reich verziert. Um nicht in den Verdacht zu geraten, einen elitärkunst-geschichtlichen Snobismus zu betreiben, ist auch einschlägige Sekundärliteratur vertreten. Baugeschichtliche Interessenten kommen gleichfalls auf ihre Kosten. Dafür sorgen Fotos von der Domrestaurierung, Detailvergrößerungen und ein Entwurf Balthasar Neumanns aus dem 18. Jahrhundert für den Neubau des fürstbischöflichen Hofes neben dem Dom.

Die Wormser Museumsleute erwiesen sich übrigens nicht als weltfremd. Aus Sicherheitsgründen verzichteten sie darauf, Leihgaben aus der näheren Umgebung mit Standortangaben zu versehen. Diese lobenswerte Vorsicht führte allerdings dazu, daß die Erklärungen etwas spärlich ausfielen. Das ist schade.

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